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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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Nicken und ein Augenzwinkern als Erlaubnis, und man hat das Gefühl, dass es okay ist, sie im Bach zu ertränken.«

    Marvel nickte. Er sah die Logik dieser Überlegung. »So wie Serienkiller viele Jahre brauchen, bis sie ihren ersten Mord begehen. Der erste ist schwer, aber danach wird es immer leichter, immer unbeschwerter.«
    »Genau dasselbe«, pflichtete Reynolds ihm bei. »Jemand bricht das Tabu.«
    Marvel starrte in die Ferne und nickte bedächtig. »Das Undenkbare wird denkbar.«
    Die beiden Männer saßen in seltener Harmonie da und dachten nach.
    »Ich hoffe, Sie irren sich«, sagte Marvel.
    Und ausnahmsweise hoffte Reynolds das ebenfalls.

7 Tage
    Der Boden war gefroren, und sie hätten keine Grube für Yvonne Marsh graben können, selbst wenn ihr Leichnam nicht als Beweismittel beschlagnahmt worden wäre, doch die Bestattungsfeierlichkeiten fanden trotzdem statt. »Beisetzung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt« stand mit Kugelschreiber unter der Agende.
    Jonas betrachtete diesen Zusatz und musste an die Nachricht unter seinem Scheibenwischer denken. Jetzt wünschte er sich, er hätte sie behalten, um sie mit allem zu vergleichen, was ihm an Handgeschriebenem unterkam. Als der Gottesdienst begann, musterte er Reverend Chard mit ganz neuen Augen.
    Alan Marsh saß mit seinem Sohn in der vordersten Bank. Danny trug zum schwarzen Anzug ein blaues Auge. Jonas lief rot an, als er es sah.
    »Ich sollte hingehen und mich entschuldigen«, flüsterte er Lucy zu.
    »Heute nicht«, flüsterte sie zurück. »Heute geht es um seine Mutter.«
    Jonas nickte, doch er fühlte sich unbehaglich. Marvel hatte ihm zugezischt, er könne von Glück sagen, wenn er seinen Job behielt, doch alles, was er in den Augen des DCI gesehen hatte, war Erleichterung gewesen, dass jemand die Dinge in die Hand genommen und etwas unternommen hatte, um die verquere Situation zu beenden.
    Er sah sich um und begegnete ganz hinten in der Kirche Marvels Blick. Zweifellos war dieser hier, weil der Mörder vielleicht an der Gedenkfeier für sein Opfer teilnehmen
könnte. Für Margaret Priddy war auf Wunsch ihrer Familie noch kein Gottesdienst abgehalten worden, Alan Marsh jedoch hatte auf einem bestanden.
    »Sie ist tot«, hatte er zu Reverend Chard gesagt. »Sie ist tot, und ich will mich anständig verabschieden.«
    Also waren sie jetzt alle hier.
    Jonas hatte Marvel nicht gefragt, ob es in Ordnung wäre, wenn er zum Gottesdienst kam, und er lächelte bei dem Gedanken, dass der Mörder womöglich gerade vor Margaret Priddys Haus auf und ab lief, an die Tür hämmerte und den kleinen braunen Hund ärgerte. Das ganze Wacheschieben war sowieso Schwachsinn, und er empfand keine Schuldgefühle mehr dabei, seinen Posten zu verlassen. Die Geschichte mit Danny hatte die Dinge für ihn mit einem Ruck in eine neue Perspektive gerückt. Obwohl er Gewissensbisse verspürte, weil er ihn geschlagen hatte, hatte er doch wenigstens endlich etwas getan. Wenigstens hatte er eine Entscheidung getroffen  – auch wenn es wahrscheinlich die falsche gewesen war.
    Der Gottesdienst war eine feierliche Angelegenheit. Sie sangen »Abide With Me« und dann »All Things Bright and Beautiful«, und dabei drückte Lucy seine Hand. Ein harter Klumpen stieg ihm in die Kehle, und er wagte es nicht, sie anzusehen.
    Danach gab es Tee im Vorraum der Kirche. Linda Cobb und die anderen Ladys hatten dafür gesorgt. Sie hatten Alan und Danny Marsh gar nicht gefragt, sie hatten einfach das Geld ausgegeben, das Reverend Chard ihnen für die an der Kirchentür festgeschraubte Armenschatulle gegeben hatte. Alle fanden, dass das Geld gut angelegt war.
    Jonas und Lucy gingen nicht hin. Sie sahen, wie Alan Marsh seinen Sohn aus der Kirche führte, dann machten sie sich auf den Heimweg. Jonas fuhr Lucy vorsichtig die gestreute Straße hinauf, zog seinen schwarzen Anzug aus und die Uniform an und ging dann zu Fuß in den Ort hinunter, um seine Türwache wieder aufzunehmen.

    Das dämmerige Dorf wirkte ganz besonders still. Die Schneedecke und die Tatsache, dass fast sämtliche erwachsenen Bewohner in der Kirche Eibrote aßen, verstärkten Jonas’ Gefühl der völligen Isolation noch. Nicht einmal Linda Cobb war da, um ihm seinen World’s Best Mum -Becher zu reichen.
    An Tagen wie diesem kam er sich vor wie der letzte Mensch auf Erden. Manchmal fühlte er sich oben auf dem Hochmoor so, wo es so still war, dass man ein Auto kilometerweit kommen hörte. Letzten Sommer war er zu den Blacklands

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