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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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nächsten Gasse und folgte den deutlichen Fischgrätmuster-Spuren zu einer neuen Lücke zwischen den geparkten Wagen. Die frischen Reifenspuren waren noch schneefrei  – und sie machten einen Schlenker, bevor sie wieder gerade wurden; das zeigte, dass das Auto ein wenig ins Schleudern geraten war. Eine hastige Flucht.
    Jonas kam sich blöd vor. Er hätte näher herangehen und dem Mann sofort in die Gasse folgen sollen. Stattdessen war er davon ausgegangen, dass er wieder herauskommen würde. Im Geiste hörte er seine alte Englischlehrerin Mrs. O’Leary: Wer immer nur von irgendetwas ausgeht, kommt nirgendwohin.

    Jonas war es einfach nicht gewöhnt, so misstrauisch zu sein, nicht einmal Fremden gegenüber. Bei dem Gedanken, dass ihm der Mörder entwischt sein könnte, weil er sich nicht der Peinlichkeit hatte aussetzen wollen, ihn in Mr. Jacobys »Garten« zu stellen, krümmte er sich unwillkürlich.
    Rasch ging er zur Schule hinauf und dann zurück zu Margaret Priddys Cottage, ohne eine Menschenseele zu Gesicht zu bekommen, geschweige denn den Fremden. Bei diesem Schnee blieben die Menschen zu Hause. Wenigstens hatte er den Mann genau in Augenschein nehmen können: seine Statur, seine Kleidung, seinen Gang mit diesen kurzen Städterschritten. Wahrscheinlich Ende dreißig oder Anfang vierzig. Er würde ihn wiedererkennen. Vielleicht.
    Ganz kurz erwog er, Marvel davon zu erzählen, dann verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Letzten Endes hatte er wegen einer minimalen Ahnung und maximaler Langeweile seinen Posten verlassen  – und hatte nichts erreicht. Und für Marvel wäre das lediglich eine Aufforderung, ihm abermals eins reinzuwürgen. Bisher hatte der Mann dafür ja nicht mal einen Anlass gebraucht; Jonas hatte keine Lust, ihm jetzt einen zu geben.
    Er seufzte. Der Tod von Margaret Priddy und Yvonne Marsh kam ihm vor wie die erste echte Herausforderung an ihn als Gesetzeshüter, und er versagte bei den Ermittlungen auf ganzer Linie. Er konnte noch nicht einmal in seinem eigenen Dorf einen Verdächtigen verfolgen  – nicht einmal im Schnee.
    Wie um ihn zu verhöhnen, begann es von Neuem zu schneien; rasch füllten die Flocken die Fischgrätspuren.
    Vollkommen besiegt kehrte Jonas zu seinem Türposten zurück.
    Als hätte sie gewusst, dass er scheitern würde, öffnete Linda Cobb augenblicklich die Tür und reichte ihm seinen Becher.

     
    Reynolds war Jonas Holly wohl gesonnen, aus dem einfachen Grund, weil Marvel es nicht war.
    Er wollte sich gerade im Blue Dolphin etwas zu essen holen, als er Jonas auf seinem Posten stehen sah, die Hände um einen Becher gelegt. Reynolds hielt an und stieg aus.
    »Hi«, sagte er und streckte die Hand aus. Jonas ergriff sie, und Reynolds konnte die Restwärme des Bechers fühlen.
    »Wissen Sie, wir haben uns in dem ganzen Durcheinander noch gar nicht richtig vorgestellt. Ich bin DS Reynolds.«
    »Jonas Holly.« Jonas fragte sich, was Reynolds wohl wollte.
    Doch der schien gar nicht besonders viel zu wollen.
    »Die Kollegen vor Ort sind uns immer eine große Hilfe«, bemerkte der Detective Sergeant.
    »Ja?« Jonas zog eine Braue hoch.
    »Wenn Sie nicht diesen Eindruck haben, dann tut es mir leid«, sagte Reynolds behutsam. »Aber wenn Sie irgendetwas auf dem Herzen haben oder über irgendeinen Aspekt dieser Fälle reden möchten, dann rufen Sie mich bitte an.«
    Er zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie Jonas. »Da steht meine Handynummer drauf.«
    Jonas betrachtete die Karte, die für eine normale Polizei-Visitenkarte zu dick war. Reynolds hatte sich bestimmt selbst welche drucken lassen.
    »Okay«, antwortete er. »Mach ich. Vielen Dank.«
    Reynolds wandte sich zum Gehen.
    »Ich habe einen Fremden gesehen«, platzte Jonas heraus. Sofort wurde ihm klar, wie dämlich das sich für jemanden anhören musste, der nicht im Dorf wohnte.
    Wie dem auch sei, er schilderte, was geschehen war.
     
    Reynolds hörte sich Jonas‘ Geschichte mit interessierter Miene an und machte sich kurze Notizen  – »Wachshut«, »lange Jacke«, »Sohlenabdruck mit Fischgrätmuster«, »in Seitengasse abgesetzt«  –, wobei er sich bei dieser Amateurdetektiv-Nummer die ganze Zeit ein bisschen albern vorkam.

    »Ich weiß ja nicht, ob das relevant ist«, sagte Jonas am Schluss, und Reynolds dachte im Stillen, dass dem wohl nicht so war. Über eine niedrige Mauer zu hopsen war ja wohl etwas anderes, als mit einem Motorrad zum Sprung über einen Drahtzaun anzusetzen.
    Er dankte Jonas

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