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Der Beschütze

Der Beschütze

Titel: Der Beschütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Belinda Bauer
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zugegebenermaßen noch nie aufgefallen waren. Oder wenn doch, dann hatten sie sie bisher nie gestört. Danny Marsh und seine Objektivität waren notwendig gewesen, damit sie einsah …
    Sie schloss sie alle drei jede Nacht ein, Haustür, Hintertür und alle Fenster im Erdgeschoss. Alan Marsh war zu weggetreten, um es zu bemerken, Danny jedoch hatte ihr am ersten Abend dabei zugesehen und gefragt: »Sperren Sie jemanden aus oder uns ein?«
    »Jemanden aus, natürlich«, hatte sie versichert, doch sie fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden, und hoffte, dass er es nicht gemerkt hatte.
    Jede Nacht hatte sie die Schlüssel unter ihrem Kopfkissen, während sie in der winzigen Abstellkammer schlief, die sie für sie leer geräumt hatten. »Leer geräumt« war eine Umschreibung dafür, alles, was anscheinend nicht auf den Dachboden passte, an die gegenüberliegende Wand zu schieben, und Rice musste sich abends seitwärts drehen, um zum Bett zu gelangen, auf einem schmalen Pfad aus hässlichem grünem Teppich.
    Jede Nacht krebste sie gegen Mitternacht diesen Pfad hinunter und erwachte um sechs Uhr. Dann sah sie als Erstes nach den Marshs  – abgesehen von einer raschen Dosis Mascara auf ihren blassen Wimpern, denn das kam so unmittelbar nach dem Aufwachen wie Reinlichkeit nach Gottesfurcht. Sie überprüfte ihre Schützlinge, indem sie das Ohr an ihre Zimmertüren drückte und ihrem Atmen lauschte. Alan schnarchte; sein Sohn nicht. Doch in der stillen Dunkelheit der Morgendämmerung konnte sie ihn stets irgendwann atmen hören, wenn sie sich konzentrierte und ihren eigenen Atem zur Ruhe brachte.
    Vom dritten Tag an hatte sie Alan und Danny gefragt, ob
sie wieder zur Arbeit gehen wollten, in der baufälligen kleinen Garage hinter ihrem Haus. Sie hatte mitbekommen, dass die beiden von diesem schmuddeligen Wellblechschuppen aus die Hälfte aller Autos auf dem Exmoor in Gang hielten, und war mehr als bereit, draußen in der Kälte herumzustehen, wenn sie nur alle aus diesem muffigen kleinen Haus herauskamen. Doch kein gutes Zureden konnte sie zu irgendeiner Tätigkeit bewegen, die nicht behäbig oder nur von kurzer Dauer war. Danny ging ab und zu in den Pub, vergaß jedoch ständig, dass er etwas fürs Abendessen hätte einkaufen sollen. Schließlich zog Rice weibliche Unterwerfung dem Hungertod vor und stürmte zum Laden hinunter, damit die grundlegendsten Lebensmittel nicht ausgingen  – Bohnen, Toast, Eier, Toast, Käse, Toast und noch mehr Toast. Ihre kohlehydratarme Diät gehörte der Vergangenheit an, und sie spürte, wie die alte Weißbrotsucht sie überwältigte wie Crack, je länger diese sinnlose Besatzung andauerte.
    Als Marvel wegen der Morde in der Sunset Lodge angerufen hatte, hatte sie aus dem Haus stürzen und die verschneite Straße hinaufrennen wollen, um dabei zu sein. Dass ihr die Erregung am Tatort eines dreifachen Mordes entging, gab ihr den Rest. Der Gedanke, dass dieser Idiot Pollard dabei war und sie nicht, war besonders schwer zu ertragen.
    Den ganzen Tag lang war sie mürrisch und schlecht gelaunt, und an diesem Abend saß sie grollend im Sessel neben dem Sofa, während Danny blicklos irgendwelche Wiederholungsfolgen von Top Gear glotzte. Die hier hatte sogar sie schon mal gesehen, und sie war erst seit neun Tagen hier.
    Alan ging um halb elf schlafen, Danny um zwölf, wenn sie ins Bett ging. Sie sagte mit gezwungener Fröhlichkeit Gute Nacht; er machte sich nicht die Mühe, sich etwas anderes als ein Nuscheln abzuringen, und schloss die Tür seines Zimmers.
    Rice putzte sich die Zähne und wusch sich das Gesicht, wobei sie sich alle Mühe gab, die zahnpastafleckigen Wasserhähne
oder sogar die grauschmierige rosa Seife nicht zu berühren, die aussah, als stamme sie noch aus der Vorkriegszeit, zusammen mit den schlierigen Kacheln.
    Als sie die Tür zu ihrer Kammer öffnete, erschauerte sie.
    Vorsichtig schob sie sich auf das Kopfende ihres Bettes zu und schauderte abermals. Das kleine Kabuff war immer kalt, aber hier zog es von irgendwoher ganz furchtbar …
    Wie zur Antwort auf ihre unausgesprochene Frage blähten sich die Vorhänge nach innen.
    Das Fenster stand ein wenig offen. »Ein wenig« reichte jetzt im Winter aus, damit die Kälte ins Zimmer vorstoßen und es auskühlen konnte wie einen Kühlschrank.
    Eine billige Bürolampe mit biegsamem Hals war die einzige Lichtquelle hier drin. Rice richtete sie auf das Fenster.
    Auf dem Fensterbrett war ein Fußabdruck, der bewies, dass jemand vom

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