Der Beschützer
Seine Pflichten als Hüter von Gesundheit und Wohlergehen der Crew nahm er sehr ernst.
Nie hätte er zugelassen, daß irgendeinem Besatzungsmitglied ein Leid geschah. Das galt selbst für Paris, den Fitzgerald am vergangenen Tag nicht besonders freundlich behandelt hatte.
Es ging ihm nur darum, die jungen Männer und Frauen an Bord der Voyager zu schützen – sie sollten nicht das gleiche Schicksal erleiden wie die drei armen Teufel auf Caldik Prime.
Es genügte ein vertrauensvoller und leicht zu beeindruckender junger Mann wie Harry Kim, der Paris glaubte, wenn es hieß, er sei verantwortungsbewußt genug, um ein Shuttle zu fliegen, die Waffenkontrollen zu bedienen, das Triebwerk zu reparieren und so weiter. Dann mochte sich eine Katastrophe anbahnen.
Eine solche Möglichkeit fand Fitzgerald viel schrecklicher als die Vorstellung, daß Paris vielleicht böse auf ihn war. Er hatte versucht, es Kim zu erklären. »Es ist besser so«, sagte er leise, als sie in der Messe frühstückten. »Derartige Männer taugen nichts.« Er versuchte nur, jemanden vor Unheil zu bewahren.
Als das Schiff immer wieder erbebte, als es in der
Krankenstation plötzlich dunkel wurdec Daraufhin dachte er zuerst daran, T’Prena zu schützen. Seine erste Frau hätte ihn als Chauvinisten bezeichnet und ihm vorgeworfen, daß er Frauen – sogar vulkanische Frauen – nicht für fähig hielt, selbst auf sich achtzugeben. Aber Fitzgerald kümmerte sich nicht darum, was andere Leute von ihm hielten. Sonst wäre er vermutlich noch immer mit einer seiner Verflossenen
verheiratet gewesen. Er schlang die Arme um T’Prena und drückte sich mit ihr gegen das große Analysegerät. Daran konnten sie sich festhalten, um von den heftigen Erschütterungen nicht durchs Zimmer geschleudert zu werden.
Der Arzt war stolz auf seine rasche, intelligente Reaktion.
»Wir sollten versuchen, in den Korridor zu gelangen«, sagte er.
Dann explodierte der Analyseapparat.
Flammen und eine heiße Druckwelle schälten ihm die Haut vom Kopf und ließen die Trommelfelle platzen. Stechender Schmerz gesellte sich einem Schock hinzu, der ihn daran hinderte, nach Luft zu schnappen. Diesen Umstand nahm er mit Dankbarkeit zur Kenntnis – der erste Atemzug hätte ihm die Lungen verbrannt. Dann wäre er hilflos und stumm gewesen, um innerhalb von fünf bis sieben Minuten zu ersticken. Was natürlich nicht bedeutete, daß er solange bei Bewußtsein blieb.
Fitzgerald fiel zu Boden und spürte dabei eine seltsame, kühle Taubheit. Er schloß daraus auf umfassende Verletzungen des Nervensystems und eine Reduzierung des Blutdrucks unter siebzig. Natürlich: Verbrennungen dritten Grades. Die eigentümliche Mischung aus Schmerz und Unempfindlichkeit ließ vermuten, daß die Explosion mindestens vierzig Prozent der gesamten Haut verdampft hatte. Kein sehr ermutigender Wert.
Meine Güte, du formulierst die Diagnose wie ein Vulkanier!
T’Prena.
Fitzgerald zuckte zusammen und kam sich wie ein Chirurg vor, der bei einer wichtigen Operation feststellte, sich nicht an die letzten Sekunden erinnern zu können. T’Prena war nicht nur seine Assistentin – wenn sie bei der Explosion des Analysegeräts Verletzungen erlitten hatte, so kam ihr auch der Status eines Patienten zu. Wenn sie ums Leben gekommen war, durch seine Schuldc Er hatte nie jemanden getötet, weder mit Absicht noch durch Unaufmerksamkeit oder einen Fehler.
Der Arzt zog sich über den Boden, während Qualm vom weiter oben brennenden Feuer herabwallte.
»T’Prenac?«
Die Vulkanierin hätte zweifellos geantwortet, wenn sie dazu imstande gewesen wäre. Dieser Gedanke ließ eine andere Art von Schmerz in Fitzgerald entstehen. Er setzte die Suche fort, in einer Dunkelheit, die sich immer mehr verdichtete und nicht nur auf den Rauch zurückging. »Schwester? Ich bin’sc «
Er hustete – und hatte das Gefühl, von Pein innerlich zerfetzt zu werden.
Schließlich fand er T’Prena, und zwar mit den Händen; seine Augen tränten so sehr, daß er überhaupt nichts mehr sah. Der vordere Teil ihrer Uniform war aufgerissen und fühlte sich dort hart an, wo die Hitze den Stoff verkohlt hatte. Fitzgerald versuchte, keine offenen Wunden zu berühren – bestimmt hafteten Myriaden von Bakterien und Schmutzpartikeln an den Fingern. Nach einer Weile schloß sich seine Hand um eine runde Schulter, tastete über den Arm zum Handgelenk. Ein unregelmäßiger Puls pochte dort – T’Prena war dem Tode näher als dem Leben.
Ich
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