Der Beschützer
aktuellen Situation abfinden, ihre Aufmerksamkeit auf Gegenwart und Zukunft konzentrieren.
Das Vergangene spielte nur eine untergeordnete Rolle.
Paris und Kim blieben am unteren Ende der Verandatreppe stehen. »Die Crew ist über das ganze Farmgelände verstreut, Captain«, berichtete Paris. »Es fehlt niemand.«
Das war wenigstens etwas. Janeway nickte und sah zu den Besatzungsmitgliedern in der Nähe. »Halten Sie Ausschau«, sagte sie zu Paris. »Sondieren Sie den ganzen Bereich. Suchen Sie nach einem Holo-Projektor.«
»Hier sind frische Maiskolben.«
Janeway zuckte unwillkürlich zusammen und blickte über die Schulter, als in unmittelbarer Nähe eine Stimme erklang. Sie spürte eine seltsame Art von Verwundbarkeit: Holographische Projektionen konnten jederzeit und überall erscheinen, verrieten sich nicht durch näher kommende Schritte. Einmal mehr fragte sie sich, was hinter dieser ganzen Sache steckte.
Sie winkte Kim und Paris fort, trat dann vor die ältere Frau – als könnte sie die Unbekannte auf diese Weise daran hindern, den beiden Männern zu folgen.
»Können Sie mir sagen, warum wir hier sind?« fragte sie und schenkte dem Tablett keine Beachtung.
Die Frau ihr gegenüber neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lächelte auch weiterhin. »Wir wollen Ihnen kein Leid zufügen und bedauern es sehr, wenn Sie irgendwelche Unannehmlichkeiten hatten. Legen Sie einfach die Füße hoch, und machen Sie es sich gemütlich, während Sie warten.«
Erneut bot sie die dampfenden Maiskolben an, und einmal mehr lehnte Janeway ab. Sie versuchte, ihren Ärger nicht zu deutlich zu zeigen, als sie fragte: »Während wir worauf warten?«
»Hat denn niemand Hunger?« wandte sich die ältere Frau an die übrigen Anwesenden. Sie trat an Janeway vorbei und hob das Tablett. »Greifen Sie zu. Fühlen Sie sich wie zu Hause.
Wir bedauern es sehr, wenn wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereitet habenc «
Das Programm – oder was auch immer – schien nicht bereit oder imstande zu sein, direkte Fragen zu beantworten. Janeway nahm den Tricorder vom Gürtel und richtete ihn auf die fortgehende Frau. Das Display präsentierte keine neuen Daten.
Sie seufzte und klappte das Gerät zu.
Ein großer Hund lief über den Hof, und bei jedem Satz wallte sein langes, graubraunes Fell wie eine seidene Wolke. Vor Janeway sank er auf die Hinterläufe, ließ einen feuchten, flauschigen Ball fallen und sah hoffnungsvoll auf. Jähes Heimweh erfaßte sie. Die Vorstellung, Bear, Mark und die Erde nie wiederzusehen, lag wie ein Haufen aus gesplittertem Glas in ihrem Herzen. Mit schmerzhafter Deutlichkeit erinnerte sie sich daran, daß dieser Hund, der angeblich spielen wollte, ebensowenig existierte wie die fremden Leute und die ganze Umgebung. Siebzigtausend Lichtjahre trennten sie von ihren realen Äquivalenten.
Janeway griff nach dem Ball, warf ihn weit über den Rasen und achtete nicht einmal darauf, wo er hinfiel. Der Hund bellte aufgeregt und lief sofort los. Sie kehrte ihm den Rücken zu, streifte die Melancholie ab und setzte die gedankliche Analyse der gegenwärtigen Lage fort.
Der Hund sauste an den beiden Männern vorbei, ein Durcheinander aus wogendem Fell, Schwanz und Beinen.
Paris beobachtete, wie das Tier einige Meter vor ihm verharrte und einen Ball fallenließ, der so feucht war, daß er nicht einmal mehr vom Boden abprallte. Er glaubte fast, den Atem des hechelnden Hunds zu riechen.
Warum dieser Aufwand? dachte Paris, als er die Einzelheiten beobachtete. Selbst die Haare in den Ohren bewegten sich in der leichten Brise. Die hier zum Einsatz kommende holographische Technik mußte ähnlichen Beschränkungen unterliegen wie die in der Föderation gebräuchliche – aufgrund der riesigen Datenmengen, die selbst eine einfache Simulation erforderte. Warum verwendete man Datenspeicherplatz und Elaborationspotential an ein Darstellungselement, das weder Kommunikationszwecken diente noch eine andere wichtige Funktion hatte?
Der Hund bellte, schnappte nach dem Ball und stob erneut davon. Paris sah ihm nach und schüttelte den Kopf. Wir sprechen von ›Aliens‹ und ›Fremden‹, um nicht dauernd uns vertraute Maßstäbe anzulegen, erinnerte er sich. Wenn wir in unserem Teil der Galaxis schon von ›exotischen Lebensformen‹ und dergleichen reden, so müssen wir hier, auf der anderen Seite der Milchstraße, noch mit viel mehr Überraschungen rechnen.
Er zog den Tricorder vom Gürtel und folgte Kim, der um die Ecke des Gebäudes
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