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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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von dieser Welt mit einem Lächeln zu kaschieren suchte, ehe sie in ihrer Handtasche nach einem Kleenex suchte, das obszöne Gekröse zäh an der Nase. All dies sah ich wie durch das falsche Ende eines Teleskops, bis die Welt gnädigerweise aufhörte zu existieren und auch ich selbst immer kleiner und dichter wurde, ein kleiner schwarzer Stern, peinlich verglimmend in einem inhaltlosen Haufen von Kleidungsstücken und Schuhen. Im Alter von zwanzig Jahren hatte ich einen Vorgeschmack auf meine ganz persönliche Hölle bekommen. Die folgenden Monate sind in meinem Gedächtnis nicht mehr verzeichnet, ein gelöschter Schrei. Der entsprechende Abschnitt meines Hirns ist verschmort.
    Ich halte mir beide Ohren zu und laufe mit bis dahin nicht gekannter Geschwindigkeit am Wohnheim Nord vorbei, hinaus zu Memorial Hill und weiter in den verblutenden Wald südlich des Campus. Nadeln und welkes Laub knistern unter meinen Schritten, während ich wandere, genauso, wie ich auch als Student gewandert bin, allein. Es dauert eine Weile, bis ich mich durch das Heer der Eltern und anderen einsam wandernden Studenten gerempelt habe und mich jenseits der Straße und der heißen zirpenden Felder befinde. Doch auch im abgeschiedenen, naturbelassenen Teil des Waldes herrscht Gedränge, die Dazugehörer sind nämlich schon da, brechen laut durch das Unterholz und schubsen jeden, der nicht dazugehört, unsanft ins Gebüsch. Also warte ich erst einmal draußen, rauche zwei Nelkenzigaretten unter dem giftigen Blick einer Mutter mit bläulich gefärbten Haaren und einem gelben Bonwit-Hosenanzug, denn der Rauch weht genau in ihre Richtung. Unaufhörlich redet sie auf einen Sohn ein. Der Sohn trägt eine nagelneue AMHERST-Jacke, der die Pflegehinweise noch am Ärmel hängen. Ich kaufe einen Hotdog an einem Stand und sehe die Sonne auf den Fenstern der Südseite glitzern. Die Mauern der Zitadelle. Eines meiner »R. V.«’s war immer noch da, und mir fiel sogar eine weitere Stelle ein, an der meine Initialen die Zeit überdauert haben könnten, was mich mit einer völlig unbegründeten Freude erfüllte – beinahe so wie der Anblick von Lenores breiter Hüfte unter der kratzigen Howard-Johnson-Decke gleich neben mir. Ich liebe dich, Lenore. In meiner Liebe zur dir ist kein Hass. Umso mehr aber Traurigkeit über meine Unfähigkeit, diese Liebe in bessere Worte zu kleiden. Meine Ohren blubbern noch immer.
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    Wie man es auch drehte und wendete, dieser Stonecipher LaVache Beadsman hatte etwas Satanisches. Dunkle, rot glänzende Haut, fettige schwarze Haare, die er trotz tiefer Geheimratsecken achtlos nach hinten gewischt hatte, Brauen wie Breschnew, die seitlich nach oben abstanden, um sich später wie ein teuflisches Gestrüpp über die Augen zu senken, der Kopf klein, glatt und rund und offenbar nicht allzu fest mit dem Hals verbunden, denn er knickte, ähnlich wie die Ferse eines Schuhspanners, immer wieder nach vorn. Er trug ein OBERLIN-Sweatshirt, eine kurze Kordhose, und auf seinen Füßen (neben den ausgezogenen Hightops) tobte ein Blizzard von Haaren. Er saß in einem Sessel, sah fern und hatte Lenore sein Profil zugewandt. Ein Klemmbrett mit einem an einer Schnur befestigten Stift war an sein Bein geschnallt. Im Fernsehen lief die »Bob Newhart Show«. In dem großen gemeinsamen Wohnzimmer waren außer ihm drei Jungs, die alle so aussahen wie LaVache, obwohl sich Lenore da nicht ganz sicher war, weil die Vorhänge zugezogen waren und der Raum im Halbdunkel lag. Es roch nach – in dieser Reihenfolge: Marihuana, Deoroller, lauwarmem Alkohol, Füßen. Die drei identischen Jungs saßen, ohne Socken, neben ihren ausgezogenen Turnschuhen.
    »Lenore, das ist Cat, das ist Heat, das ist der Breather«, sagte LaVache aus seinem Sessel vor dem Fernseher. »Leute, meine Schwester Lenore.«
    »Hi«, sagte Cat.
    »Hallo«, sagte Heat.
    »Hi«, sagte der Breather.
    Heat und der Breather saßen auf einem ausgeleierten Sofa und ließen so etwas wie einen Joint hin und her gehen. Cat saß auf dem Boden, umklammerte mit beiden Füßen eine Wodkaflasche und starrte nervös auf den Fernsehschirm.
    »Hi, Bob«, sagte Filmgattin Suzanne Pleshette zu Bob Newhart auf dem Bildschirm.
    » Merde du temps «, sagte Cat und nahm einen Schluck aus der Flasche.
    LaVache blickte von seinem Klemmbrett auf und sah zu Lenore hinüber. »Wir spielen gerade Hi Bob. Hast du Lust mitzumachen?« Er sprach irgendwie zu langsam.
    Lenore setzte sich auf ihren Koffer. »Und was

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