Der Besen im System
Kontext unangenehm?
RICK: Meine Ohren! Diese Schmerzen!
JAY: Wollen Sie vielleicht einen Kaugummi?
RICK: Ich bring ihn um. Ich bring sie um.
JAY: Recht so, Rick. Machen Sie sich an die ultimative Besudelung. Schwärzen, löschen, bestrafen und negieren Sie ein Beziehungssystem, das notwendigerweise außerhalb Ihres eigenen stattfindet.
RICK: Mein Leben ist zu Ende. Alles ist aus.
JAY: Bitte verstehen Sie mich richtig: Ich habe mich in keiner Weise über Lenore Beadsmans Privatleben geäußert. Das ist nicht mein Gebiet, ich bin kein Privatdetektiv. Welches Verhältnis sie auch immer mit diesem virilen, blonden Authentizitätsstifter eingeht, der vom Alter her und hinsichtlich seines sozioökonomischen Hintergrunds gut zu ihr passt, es hat keinen Einfluss auf unser therapeutisches Verhältnis. Lassen Sie Ihre Träume sprechen, Rick, dafür sind sie da.
RICK: Woher wissen Sie eigentlich, wie alt er ist? Oder dass er blond und viril ist oder sozioökonomisch passt?
JAY: Ich muss erst meine Gasmaske wieder anlegen. Außerdem ist unsere Zeit gleich um.
RICK: Legen Sie an, was Sie wollen. Aber ich gehe nicht eher, als bis alles geklärt ist.
JAY ( gedämpft ): Vor Ihnen, lieber Freund, liegt eine gewaltige Aufgabe. Aber welche schönere Gelegenheit könnte es geben, um endlich Stärke zu beweisen? Die entscheidende Frage ist: Sind wir ein erwachsener Mensch? Wissen wir, was wahre Liebe bedeutet? Lieben wir zweidimensional genug, um es auf die nächste dreidimensionale Realitätsebene zu schaffen? Entrinnen wir unserer Scheibenwelt, in der die ursprüngliche Liebe einmal ausgeübt und scheinbar auch erwidert wurde? Und wenn wir unsere Unfähigkeit erkennen, in das Andere einzudringen und es fruchtbar zu machen, schaffen wir es, den Anderen auch wieder gehen zu lassen, hinaus in eine saubere, geruchlose Welt, in der er Erfüllung und Wirklichkeit finden kann?
RICK: Ich nehme alles zurück. Das ist gequirlte Kacke. Ich widerspreche allem, was Sie gesagt haben. Sie sind hier, um mir zu helfen, Sie Scheißkerl. Ihre einzige Aufgabe besteht darin, mir zu helfen. Dieser ganze Blentner-Mist läuft doch nur darauf hinaus, dass ich ruhig und gelassen zusehen soll, wie das Objekt meiner Verehrung, der einzige Bezugspunkt, ja, Sinn und Telos nicht nur einzelner Handlungen, sondern geradezu meines ganzen Lebens abhaut und sich von einem geilen, geleckten Yuppie bumsen lässt, bis Blut kommt, nur weil der zufällig einen Größeren hat als ich.
JAY: Gut, dass Sie das erwähnen, Rick. Das ist nämlich genau der Punkt. Sie brauchen sich nur mal selber zuzuhören. Das Objekt Ihres Soundso, der Bezugspunkt Ihres Was-auch-immer. Objekte und Bezugspunkte sind von Natur aus das Andere, verstehen Sie, Rick? Und aus diesem Grund wird Lenore für Sie auch nie etwas anderes sein. Die Frage lautet jetzt: Besitzen wir die Größe, dieses Andere ein Selbst werden zu lassen?
RICK: Soll ich sie einfach essen? Das würde Norman Bombardini wahrscheinlich vorschlagen. Soll ich es konsumieren? Dann würde das Andere ganz bestimmt Selbst werden.
Schweigen seitens Dr. Jay.
RICK: Aber Lang trägt diese Art Schuhe, die Lenore auf den Tod nicht leiden kann.
JAY: Sie sehen doch selbst, Rick: Lenores Fuß-und-Schuh-Fixierung existiert nur innerhalb ihres gestörten Hygiene- Systems.
RICK: Das ist Bullshit. Warum höre ich mir das eigentlich alles an?
Schweigen seitens Dr. Jay.
RICK: Wo sitzt dieser Olaf Blentner? Ich möchte gern mit ihm direkt reden – und ihm ins Gesicht spucken. Wüsste gern, wie ihm das dann gefällt!
JAY: Olaf Blentner weilt nicht mehr unter uns. Professor Blentner ist in den Schoß der Erde zurückgekehrt.
RICK: Wie passend. Ich hoffe, man hat ihn auf einer Rinderweide begraben – voller Bullshit. Staub zu Staub.
JAY: Rick, Wut und Ärger sind eine völlig natürliche und angebrachte Reaktion. Soll ich die Schaumstoffkeulen herausholen, und wir kloppen uns ein paar Runden? Rick, ich will Ihnen – natürlich im Rahmen der therapeutischen Situation, aber doch so gut ich kann – helfen.
RICK: Halten Sie die Schnauze. Wo sind eigentlich diese so genannten Heidelberger Hygiene-Vorlesungen erschienen? Ich will sie lesen. Und dann haue ich ihm eine Kritik rein, die sich gewaschen hat.
JAY: Es tut mir Leid, aber ich habe sie zurzeit an einen anderen guten Patienten und Freund verliehen.
RICK: Nicht Lenore, oder?
JAY: Rick, es tut mir wirklich Leid, aber unsere Sitzung ist beendet. Draußen warten andere Patienten und
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