Der Besen im System
der uns als der phänomenal erfolgreiche theoretische Dentist des zwanzigsten Jahrhunderts vorgestellt wird.«
»Theoretischer Dentist?«
»Ist ein Zahnheilkundler, spezialisiert auf theoretische Zahnheilkunde sowie hochabstrakte Spekulationen über empirische Dentalphänomene.«
»Wunderbar.«
»Erinnerst du dich an den Süßstoff, der eine Zeitlang fast ubiquitär war? SupraSweet? Derselbe, der dann von einem Tag auf den anderen aus den Supermarktregalen verschwand, weil man festgestellt hatte, dass manche Frauen danach Kinder mit Insektenfühlern und Vampirzähnen zur Welt brachten?«
»Nein, wie sollte ich mich daran erinnern?«
»Jedenfalls war unser Mann die treibende Kraft bei der Lösung des Fühler-Vampirzahn-Problems, indem er die Sache von der Zahnseite her anging, schließlich bei dem ubiquitären, malignen Süßstoff landete.«
»Du lieber Himmel, Rick, guck dir diese Menschenmassen an. Wie sollen wir da jemals durchkommen?«
»Aber die warten doch nur auf den Shuttlebus in die Innere Wüstenei. Er wird gleich hier sein, siehst du die Staubwolke? Vielleicht warten wir hier unter der Statue, wo es ein bisschen schattiger ...«
»Ich erinnere mich an die Statue. Ich kann sie immer noch nicht leiden. Sieht so aus, als hätte sich Zusatz als Wüstengott präsentieren wollen.«
»Der theoretische Dentist ist also ein Mann von weit reichenden Fähigkeiten.«
»Mm-mmm.«
»Und in seiner Freizeit betätigt er sich ebenso erfolgreich als erfahrener Pfadfinderleiter.«
»...«
»Für die Boy Scouts of America.«
»Schon verstanden.«
»Da er nämlich in seiner Jugend selber ein phänomenaler Pfadfinder war, Tenderfoot mit neun, First Class Scout mit elf, Star Scout, Life Scout, schließlich Eagle Scout im erstaunlichen Alter von vierzehn Jahren. Ich möchte bemerken, dass mein Sohn Vance, bevor er den Pfadfindern den Rücken kehrte, den Rang eines Life Scout bekleidete, die mit zwölf Jahren höchste erreichbare Stufe.«
»Wie schön für ihn.«
»Aber der Punkt ist, dass der theoretische Dentist ein vorbildlicher Pfadfinder war und der Pfadfinderei allgemein so zugetan, dass er nach dem Ende seiner regulären Mitgliedschaft und mitten in seiner Ausbildung zum theoretischen Dentisten als Pfadfinderleiter weitermachte. Dies war vor zwanzig Jahren, wodurch wir das Alter des Dentisten etwa bei Anfang vierzig ansiedeln können.«
»...«
»Eines Sommers führt der Dentist sein Pfadfinder-Fähnlein auf einen Orientierungsmarsch in die Tiefen der gottverlassenen Nadelwälder, die, wie du vielleicht weißt, ausgedehnte Flächen des Staates Indiana bedecken. Die ganze Geschichte spielt in Indiana.«
»...«
»Der Dentist also führt seine Pfadfinder souverän in den Wald, denn die Prüfungen für die Waldläufer-Leistungsnadel stehen an, und im dichtesten und gottverlassensten Teil des Waldes stoßen er und seine Pfadfinder auf einen erschöpften und völlig ausgemergelten Mann, der sich, angetan ausschließlich mit Kleidung aus Flanell, offenbar seit vielen Tagen nicht mehr rasiert hat. Der Mann hat darüber hinaus hellrote Augen, Reste von Kiefernharz kleben ihm in den Mundwinkeln, stöhnend sinkt er einem Star Scout in die Arme. In seiner Begleitung befindet sich eine ebenfalls halb verhungerte, aber immer noch geradezu schmerzlich schöne Frau, deren Kleidung bessere Tage gesehen hat und die sich sogleich dem theoretischen Dentisten an den Hals wirft und ihm weinend für ihre Rettung dankt. Die Frau erzählt dem Dentisten, dass sie und ihr bewusstloser Begleiter, der sich als ihr Psychologe erweist, sich in den dichten Nadelwäldern verirrt hätten, nachdem ihr Kompass durch das magnetische Klemmbrett des Psychologen ruiniert worden sei, dass sie tagelang umhergeirrt seien, immer mehr die Hoffnung verloren und sich nur noch von dem wahrhaft Ekel erregenden Kiefernharz auf der Rinde der Bäume ernährt hätten. Die Frau erzählt dem Dentisten also diese Geschichte, und beide schauen sich tief in die Augen, während die von Abzeichen und Leistungsnadeln beseelten Pfadfinder Dschungelerfahrung markieren und große Aktivität entfalten, indem sie Zelte aufschlagen, vielschichtige Lagerfeuer entfachen, Wasser mit Halazone-Tabletten entkeimen und dem immer noch ohnmächtigen Psychologen jede Art von erster Hilfe angedeihen lassen, die man sich überhaupt vorstellen kann. Aus Zeitgründen füge ich als Kontext ein, dass sich die Frau und der Psychologe aus therapeutischen Gründen in den Nadelwäldern
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