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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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mir im Auto sitzt, die Beine eng aneinander gepresst, aber zugleich nach links geneigt, sodass mein Handrücken beim Schalten jedes Mal ihr Knie berührt.
    ln meinem Magen rumpelt das Desaster. Ich sehe mich, wie ich Lenore vor dem Eingang eines großen grauen Hauses absetze, das an dem milden Aprilabend schwarz aussah und das, wie sie mit leiser Stimme sagte, einem Kieferchirurgen gehörte, der zwei Zimmer an sie und Mandible vermietet hatte und eines an ein Mädchen, das für Cabana Tan arbeitete, also sozusagen für ihre Schwester. Lenore wohnte mit Candy Mandible zusammen. Ich sehe, wie sie sich für das Gingerale bedankt und dafür, dass ich sie nach Hause gefahren hatte. Ich sehe, wie ich mich jetzt nach vorn beuge und ihren raschelnden weißen Kragen umarme. Ich sehe, wie ich sie küsse, noch bevor sie sich bedankt hat. Ich sehe, wie sie mir gegen das Knie tritt, genau auf den Nerv, und empfinde den Turnschuh auf einmal als überraschend schwer und hart. Ich sehe, wie ich aufheule und mir das Knie halte, wobei ich auf die Holzstufe vor dem Eingang sinke, die mit Nägeln nur so gespickt ist. Ich sehe, wie ich jetzt erst recht anfange zu jaulen und mit einer Hand das Knie und mit der anderen den Hintern halte und schließlich kopfüber in einem leeren Blumenbeet voll durchweichter Frühlingserde lande. Ich sehe Lenore, die neben mir kniet und sagt, wie Leid ihr das alles tut, sie wüsste gar nicht, warum sie das gemacht hätte. Aber ich hatte sie erschreckt, und vor Schreck war es eben passiert, o Scheiße, was hatte sie getan? Ich sehe mich mit Dreck in der Nase. Ich sehe im grauen Haus die Lichter angehen, auch in den anderen Häusern. Ich bin extrem schmerzempfindlich und könnte heulen. Ich sehe Lenore, wie sie ins Haus des Kieferchirurgen läuft. In comichaft schräger Perspektive sehe ich mein Auto näher kommen, während ich auf einem Bein darauf zuhüpfe. Ich bin überzeugt, ich habe von oben auch die Stimme von Candy Mandible gehört.
    Und als Lenore Beadsman am nächsten Tag nicht zur Arbeit erschien, wusste ich, dass ich sie liebte. Von Candy Mandible erfuhr ich, dass Lenore davon ausging, dass sie gefeuert wäre. Ich rief Lenores Vermieterin an, die Frau des Kieferchirurgen, eine christliche Fundamentalistin übelster Sorte. Ich bat sie, Lenore mitzuteilen, dass sie nicht gefeuert wäre, und äußerte mein Bedauern über den ganzen Vorfall. Lenore war das offenbar alles sehr peinlich. Genau wie mir. Ihre direkte Vorgesetzte, Walinda Peahen, die Leiterin Telekommunikation, wollte Lenore entlassen, weil sie nicht zur Arbeit gekommen war. Wegen ihrer privilegierten Herkunft konnte sie Lenore nicht leiden. Aber ich bin Walindas Vorgesetzter und konnte sie besänftigen. Und so bekam ich auch weiterhin meine Zeitung von Lenore.
    Wo bist du jetzt?
    Denn danach begann die Zaubernacht, eine magische, nichtdrüberredbare Nacht, als mein Herz in Flammen stand und mein Hintern geheilt war, und ich verließ wie in Trance das Büro bereits vor sechs, fuhr hinab an einem Kabel, sah am anderen Ende der leeren, dunklen Eingangshalle Lenore allein in ihrer Kabine, das heißt ohne die Prietht, mit einer wie immer stummen Telefonanlage vor sich und einem stummen Buch in der Hand. Ich huschte über den schwarz verschatteten Marmorboden und tauchte ein in das weiße Licht der Bürolampe hinter Lenore. Sie hob den Blick, lächelte und schaute wieder in ihr Buch. Aber sie las nicht. Durch das Riesenfenster hoch über ihrer Kabine schoss ein einzelner Lichtpfeil des orange-braunen Cleveland-Sonnenuntergangs, eingefangen und umgelenkt von irgendeiner freundlichen Chemiewolke aus der näheren Umgebung der Erieview-Schwärze, und traf wie der Strahl eines Leuchtturms auf die helle weiche Stelle unter Lenores Ohr und auf ihren Hals. Ganz benommen beugte ich mich nach vorn und drückte meine Lippen auf die Stelle. Das plötzlich Fiepen der Telefonanlage unter Lenores Handtasche war in Wirklichkeit mein Herzklopfen.
    Und Lenore Beadsman nahm ihre rechte Hand, ihre langen Finger mit den glanzlosen, abgebissenen Nägeln, und legte sie um meinen Nacken, bettete meine Wange in die zarte, zögernde Wärme dieser Berührung und drückte mein Gesicht gegen ihren Hals, den sie leicht nach links gelegt hatte, wodurch ich den kleinen Donner ihrer pulsierenden Schlagader an meinen Lippen spürte. Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit lebte ich ausschließlich und wahrhaftig nur für den Augenblick. Den Blick in die herannahende

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