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Der Besen im System

Titel: Der Besen im System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Foster Wallace
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sehe, das Thema interessiert Sie, Ms. Beadsman. Habe ich Ihr Interesse geweckt?«
    »Möglich.«
    »Immerhin. Das Interesse eines bissigen Mädchens zu wecken, das ist schon etwas.«
    »...«
    »Yin und Yang, Vigorous. Yin und Yang. Das Selbst und das Andere.«
    »...«
    »Einer der unmittelbar einleuchtenden deskriptiven Grundsätze der Weight-Watchers besteht zum Beispiel in der scharfen Trennung der Welt in – in meinem Fall – mich einerseits und allem anderen andererseits. Beides zusammen, Vigorous, definiert für jeden von uns das Universum. Das Universum: das Selbst und das Andere.«
    »Das scheint mir unstrittig, Norman.«
    »Nicht nur das. Sondern auch, dass wir uns von Natur aus, und zwar wir alle, dieser Trennung bewusst sind, der Trennung in das Selbst einerseits und das Andere andererseits. Diese Trennung ist fundamental, sie ist Teil unseres Bewusstseins.«
    »Okey-dokey.«
    »Des Weiteren vertreten sie den ebenso unbestreitbaren wie präskriptiven Grundsatz, dass wir auf persönlicher Ebene für ein möglichst volles Universum Sorge zu tragen haben. Der existenzielle Horror gründet nämlich auf einem leeren Klappergestell von Universum, wo nach dem Selbst einerseits erst einmal lange nichts kommt, ehe endlich das Andere andererseits beginnt. Ein nichtvolles Universum bedeutet Einsamkeit, Vigorous. Die Weight-Watchers sehen sich als Streiter wider die Einsamkeit. Ist das nicht aller Ehren wert? Moment mal. He, Ober. Ich hätte nichts gegen ein paar After-Eights. Scheuen Sie sich also nicht, mir selbige zu bringen. Entschuldigung, wo war ich? Einsamkeit, genau. Und Gleichgewicht. Je einsamer das eigene Universum, desto schlimmer. Ich denke, bis hierhin sind wir uns einig. Hand hoch, wer sich nicht einig ist?«
    »...« »...«
    »Nun, der Weight-Watcher erkennt hier die Notwendigkeit, sich mit möglichst viel von diesem Anderen zu umgeben, sodass sich folgendes Verhältnis ergibt: minimales Selbst gegen maximales Anderes. Dies ist eine, aber, wie ich heute Nachmittag feststellen konnte, lediglich eine Möglichkeit, des Problems Herr zu werden. Verstehst du, worauf ich hinauswill, Vigorous?«
    »Nun, wenn ich Sie richtig verstanden habe ...«
    »Papperlapapp, mir völlig egal, ob du das verstehst. Trotzdem, Vigorous, Ms. Beadsman, ich wiederhole: Wir alle brauchen ein volles Universum. Die Weight-Watchers und ihre Verbündeten wollen uns weismachen, es sei ratsam, die Selbst-Komponente des Universums so weit zu reduzieren, dass eine Art Vakuum entsteht, durch das das Andere quasi naturgesetzlich angezogen wird und die qua Selbst-Reduktion entstandene Leere ausfüllt. Das ist sicher nicht verkehrt und gleichwohl nur die Hälfte der möglichen Lösungen, sich ein volles Universum einzurichten. Begreifen Sie jetzt? Es ist im Grunde genauso wie in der Gentechnik, Vigorous. Es gibt immer mehr als nur eine Lösung.«
    »Ich glaube, ich ...«
    »Ich sage nur: autonomes volles Universum, Vigorous. Ein autonomes Volluniversum, Ms. Beadsman.«
    »Wo darf ich die Minztäfelchen ...«
    »Gar nicht. Lassen Sie die Schale hier, danke. Denn anstatt das Selbst einzuschrumpfen und das Universum mit dem Anderen anzufüllen, warum nicht andersherum. Warum nicht das Universum mit dem eigenen Selbst ausfüllen?«
    »Sie meinen ...«
    »Ganz recht, ich will ins Unendliche wachsen.«
    »Habe ich da was von Denkfehlern gehört? Oder von nicht alle Tassen im Schrank?«
    »Lenore, bitte. Norman, wirklich. Weitsicht, gut und schön, aber niemand kann ins Unendliche wachsen.«
    »Hat es überhaupt schon mal jemand versucht?«
    »Meines Wissens nicht, aber ...«
    »Dann tu mir den Gefallen und erklär die Idee nicht für gescheitert, ehe ich es nicht probiert habe. Früher hielt man es für ebenso unmöglich, einen Fettberg zum Leben zu erwecken ...«
    »Wie?«
    »Nichts. Vergiss es.«
    »...«
    »Heute Abend startet das Projekt Total Yang . Ich werde wachsen, wachsen und wachsen. Bis irgendwann auch der Platz für alle anderen im Universum eng wird, was leider auch bedeutet: für euch, wofür ich mich ausdrücklich entschuldige. Andererseits sage ich mir: Wer kann, der kann. Euer Pech.«
    »Wirklich, hat mich außerordentlich gefreut, mich mit Ihnen zu unterhalten, und wir sollten das bei Gelegenheit mal wiederholen. Aber jetzt müssen wir uns verabschieden. Außerdem sehe ich, dass sich auf meinem Salat gerade eine Fliege niederlässt ...«
    »Sieht lecker aus, der Salat.«
    »Stimmt, aber unglücklicherweise gehört er

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