Der Besen im System
Kind von seinem Stuhl fällt und den kleinen Beistelltisch umstößt, wo auf einem purpurnen Filzdeckchen all die wertvollen Fläschchen mit der seltenen und nur aufwändig herzustellenden Antiwein-Medizin wie auf einem Ehrenplatz stehen. Jedenfalls gehen all die Fläschchen dabei zu Bruch, ihr Inhalt wird verschüttet, und natürlich fängt das Kind nach der Ohrfeige sofort an zu heulen, ein epileptischer Anfall ist die Folge, dem sich, verursacht durch den Lärm und die allgemeine Unruhe, das Baby anschließt, sodass der Mann und die Frau auf einmal zwei epileptische Kinder am Hals haben, und das ganz ohne Medikamente, welche die Kinderherzen und -hirne vor potenziell lebensbedrohenden Schäden bewahren könnten. Sie geraten in Panik, als die Kinder sich wild hin und her werfen, doch gelingt es der Frau, wenigstens das Baby etwas zu beruhigen, indem sie es leise singend im Arm wiegt. Dem älteren hingegen geht es richtig schlecht.«
»Du lieber Himmel.«
»Verzweifelt beschließen die Eltern, dass der Mann das ältere Kind mit dem Jeep in das kleine entlegene Krankenhaus bringt, während die Frau dort anruft, damit bei ihrer Ankunft das Antiwein-Medikament schon bereitsteht, und dass die Frau deshalb mit dem Baby zu Hause bleiben soll, dessen Zustand sich im Arm seiner Mutter mehr oder weniger stabilisiert hat und das ohnehin nicht gern in dem Jeep fährt und auf dem Weg zu dem kleinen Krankenhaus unter Garantie anfangen würde zu weinen, sodass dies eigentlich die beste Lösung ist, bis der Mann mit dem Medikament und dem hoffentlich geretteten Kind zurückkommt. Und so trägt der Mann das tobende Kind durch den dicken, geradezu gelatinösen Regen in den Jeep und rast los, und die Frau versucht derweil, das kleine, abgeschiedene Krankenhaus anzurufen, kommt aber nicht durch, weil, wie der Erzähler erklärt, die Telefonleitung zum Krankenhaus von einem Blitz getroffen wurde, sodass sie in ihrer Not schließlich ihren alten Psychologen in der Stadt anruft, denn der hatte ihnen beim Verkauf der Hütte zugesagt, sie sollten nicht zögern, ihn anzurufen, wenn sie etwas brauchten. Tatsächlich erreicht sie den Psychologen schließlich in seinem Penthouse in der Stadt und bittet ihn, so schnell wie möglich in das kleine, abgeschiedene Waldkrankenhaus zu fahren, um ihr für das Baby etwas von dem Antiwein-Medikament zu besorgen, sie brauchte es ganz dringend. Nachdem ihn die Frau daran erinnert hat, wer sie ist – er selbst hat es längst vergessen –, stimmt der Psychologe widerstrebend zu, okay, er werde ihr das Medikament bringen, sogar bei dem dicken, geradezu gelatinösen Regen, und wäre gleich bei ihr, doch als er aufgelegt hat, kommt unglücklicherweise einer seiner aktuellen Patienten vorbei, jemand, den der Psychologe schon seit längerer Zeit zu einer Hütte und einem Leben in Abgeschiedenheit überreden will, und so zieht sich alles etwas hin, denn um den Patienten zum Kauf zu überreden, geht er mit ihm lang und breit seine Kataloge und Broschüren durch, wobei wir abermals und völlig unnötigerweise daran erinnert werden, wie die kleinen grünen Dollarzeichen in seinen Augen funkeln.«
»Arschloch.«
»Ein wahres Wort. Inzwischen rast der Mann in seinem Jeep wie verrückt zu dem kleinen, abgelegenen Krankenhaus. Zwar ist der Krampfanfall inzwischen vorbei, dafür sitzt der Junge nur noch völlig apathisch und mit hängendem Mund da, was auch nicht viel besser ist. Der Mann fährt wie ein Wahnsinniger, kommt aber in dem dicken, geradezu gelatinösen Regen und auf den dunklen, schlammigen Waldwegen nur schlecht voran und wütet deshalb gegen das ganze Universum, das seine Familie schließlich in diese Lage gebracht hat, ja, er könnte aus der Haut fahren vor Zorn, reißt sich jedoch zusammen und fährt weiter und gelangt irgendwann von den schlammigen Waldwegen auf den Highway, wo es etwas schneller geht. Derweil wartet die Frau in der Hütte darauf, dass der Psychologe endlich mit dem Antiwein-Medikament eintrifft, ist aber so mitgenommen und deprimiert über alles, dass sie die ganze Zeit über gähnt, denn sie ist unbeschreiblich müde. So vergehen die Stunden, und ihre Müdigkeit nimmt zu, während der dicke, geradezu gelatinöse Regen rhythmisch auf das Dach trommelt. Das Baby hat inzwischen weitere kurze, aber heftige Krampfanfälle, und das Einzige, was die Frau dagegen tun kann, ist, das Baby fest an ihre große, Frito-verkrümelte Brust zu drücken. Sobald sie das Baby ablegen will, fängt es
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