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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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in verschiedenen Krankenhäusern als Neurochirurg und zunehmend auch als Psychiater tätig. Parallel dazu hatte er einen Lehrstuhl an der Johns-Hopkins-Universität in Baltimore und leitete ab 1975 die neurologische Fakultät der Universität von Pennsylvania. Im Alter von fünfundvierzig Jahren war Bienenfeld einer der bedeutendsten Neurologen weltweit – seine Veröffentlichungen über die Behandlung von Schlaganfall-, Alzheimer- und Parkinsonpatienten erschienen in so gut wie allen wichtigen Fachjournalen. Wobei Bienenfeld nicht nur auf Anerkennung stieß. In konservativen und religiösen Kreisen wurden seine Forschungen und Experimente als fragwürdig bis jenseits jeder Moral kritisiert. Gerade seine Arbeit mit embryonalen Stammzellen und deren Transplantation ins Gehirn brachte zahlreiche Menschen gegen ihn auf. Er würde sich über jegliche medizinische Ethik erheben, die Integrität menschlicher Persönlichkeit verletzen, Bienenfeld würde Gott spielen, warfen ihm Mediziner, Politiker und Theologen vor. Was genau Bienenfeld im OP oder seinem Labor getan hatte, blieb Schäfer großteils unklar – die meisten der Artikel, auf die im Text verlinkt wurde, waren in Englisch; und auch die von deutschen Internetseiten schienen Schäfer in einer fremden Sprache verfasst: Gliazellen, Transkriptionsfaktoren, Myelinscheide, Oligodendrozyten … kein Wunder, dass man auch von der grauen Masse sprach.
    In den Achtzigerjahren war Bienenfeld zu einem der führenden Vertreter des sogenannten Human Enhancement geworden – neurotechnologische Methoden, um die kognitiven und emotionalen Fähigkeiten zu verbessern. Was ihn abermals ins Zentrum ethischer Kritik stellte, waren seine Ansichten bezüglich der Anwendungsbreite und der in Frage kommenden Patienten. Wo kaum jemand sich dagegen verwehrte, Menschen mit schweren psychischen oder hirnorganischen Defekten durch Neuroleptika beziehungsweise operative Eingriffe zu helfen, ging Bienenfeld einen großen Schritt weiter: Er hielt es für legitim, solche Behandlungen, sofern sie keine schwerwiegenden Nebenwirkungen zeigten, einer breiten Mehrheit zugänglich zu machen. Was sprach denn dagegen, die Konzentration zu verbessern, das Aggressionspotenzial zu mindern oder soziale Kompetenzen zu optimieren? Wer konnte denn etwas gegen die Therapie von Verbrechern haben; gegen den Wunsch, ein besserer Mensch zu werden? Laut Bienenfeld war schließlich schon die Erziehung eine Technologie, die das Gehirn des Menschen mitgestaltet und es auf ein Funktionieren im gesellschaftlichen Umfeld hin strukturiert. Zudem die gigantische Menge an Nahrungszusätzen, Vitaminkomplexen und Medikamenten, die weltweit verbraucht wurden mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu verbessern und bis ins hohe Alter zu erhalten. Wo lag denn der Unterschied? Schäfer vermochte es nicht zu beantworten. Nichtsdestotrotz faszinierte ihn die Entwicklung, die Bienenfeld genommen hatte. Vom Opfer destruktiver medizinischer Experimente zum leidenschaftlichen Pionier einer Medizin, die einen besseren Menschen modellieren wollte. Eigentlich kein Wunder, dass er sich mit Hofer zusammengetan hatte, auch wenn er dafür ins Land seiner Folterer zurückkehren musste. Zuerst nach Wien ans AKH und ab 1992 in Großgmain als Leiter einer neurologischen Klinik, in der hauptsächlich Rehabilitationsfälle behandelt wurden.
    Schäfer klappte den Laptop zu und widmete sich seinen Penne all’arrabiata. Bei der zweiten Gabel läutete sein Telefon, Isabelle. Kälter können sie ohnehin nicht mehr werden, murmelte Schäfer und legte das Besteck weg.
    „Ja, Entschuldigung … Ich bin immer noch in Salzburg und … Natürlich ist das kein Grund, aber … Isabelle, bitte … Nein, immer noch nicht … Weißt du, was seltsam ist: Der alte Nazi aus Argentinien, dem ihr gerade den Prozess macht … Der war zusammen mit Gernot Hofer am Spiegelgrund … Und dessen Sohn hat vor dreißig Jahren Kastor behandelt … Skurriler Zufall, oder? … Weil wir von dem eine DNS -Spur bei Mladic gefunden haben! … Hab ich dir nicht erzählt? … Okay, ’tschuldigung … Auf jeden Fall seltsam, oder … Ist ja fast, als ob wir wieder gemeinsam an einem Fall arbeiten würden … Ach, danke für das Kompliment … War ich so schlimm … Denen geht’s gut ohne mich, bestimmt … Na, was soll ich machen, wenn die plötzlich auf politisch korrekt machen, nur weil dieser Türke antanzt … So hab ich das nicht gemeint, bloß … Jaja, als ob ich da

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