Der bessere Mensch
… und Borns Sohn hat in gleicher Manier weitergemacht … wer für solche Menschen Sympathie aufbringt, ist krank oder schlichtweg böse …“
Schäfer nahm einen Schluck aus seinem Glas, schwieg, bis sich Hofers zittrige Hände wieder beruhigt hatten und die Ader an seiner Schläfe unsichtbar wurde. Krieg mir bloß keinen Infarkt hier oben, sagte Schäfer in sich hinein, dann, an Hofer gewandt:
„Hermann Born ist eines von zwei Mordopfern, die wir demselben Täter zuschreiben … der zweite Tote ist ein gewisser Mladic, ein Serbe mit Verbindungen zum organisierten Verbrechen …“
„Dieser Name sagt mir gar nichts …“
„Das glaube ich Ihnen … Mladic scheint auch in keinerlei Verbindung zu Born gestanden zu haben …“
„Außer dass er vom selben Täter ermordet wurde, wie Sie gesagt haben …“
„Richtig … und genau das hat auch die Ermittlungen bisher sehr schwierig gemacht … kein Motiv, so gut wie sicher kein politischer Hintergrund …“
„Aber warum sind Sie dann bei mir?“
Schäfer wandte seinen Blick ab, zögerte einen Moment.
„Ab hier sprechen wir von Ermittlungsergebnissen, die den Medien vorenthalten worden sind“, fuhr er fort, „also, am besten, Sie behandeln diese Informationen, als ob ich Ihr Patient wäre …“
„Das kann ich nicht, weil Sie das nicht sind, aber ich verspreche Ihnen, zu schweigen …“
„Wie auch immer … am zweiten Tatort, in Mladics Wohnung, haben wir Haare gefunden, die mit der DNS von Paul Kastor übereinstimmen …“, sagte Schäfer und ließ Hofer nicht aus den Augen.
„Paul Kastor? … Der Paul Kastor? … Aber … das ist wohl ein übler Scherz, da will Sie jemand … wieso sollte so viele Jahre nach … nach dessen Tod … Haare haben Sie gesagt?“
„Richtig … ist das von Bedeutung?“
„Nein … ja … wenn es Blut wäre … also dass … Haare sind einfacher aufzubewahren, ganz einfach …“
„Sie haben Kastor als Kind behandelt, richtig?“
„Ja … die Akten sind …“
„Die habe ich schon … ich habe auch mit einem Arzt über diese Meningoenzephalitis gesprochen … allerdings mit einem Chirurgen, der nicht mehr sagen konnte, als dass die Behandlung sehr gut war …“
„Na ja“, erwiderte Hofer, „schön, wenn das ein Kollege sagt … aber ich bin da anderer Meinung … zwar ist er nicht gestorben, was bei der Schwere seiner Erkrankung … aber Sie wissen ja selber, wie es mit ihm weitergegangen ist …“
„Aber das ist ja nicht Ihre Schuld …“
„Schuld ist kein medizinischer Terminus … Verantwortung trifft es eher … nein … damals war ich halt noch viel, wie soll ich sagen, utopischer, gutgläubig … überheblich vielleicht auch …“
„Ich verstehe Sie nicht ganz. Haben Sie geglaubt, also nachher, dass Sie mit einer besseren Behandlung seines Hirnschadens, dass Sie verhindern hätten können, dass Kastor zum Mörder wird … Ich meine, so genau kenne ich mich da auch nicht aus, aber vor Gericht hätten Sie damals keine guten Chancen gehabt, ihn wegen einer Gehirnhautentzündung für unzurechnungsfähig erklären zu lassen …“
„Darum ist es mir doch nie gegangen … so weit hätte es nicht kommen dürfen …“
Hofer stand auf und stützte seine Hände auf die Brüstung. Nachdem er bestimmt fünf Minuten schweigend auf das Haus gegenüber gestarrt hatte, meinte Schäfer vorsichtig:
„Ähm, wieso … ich habe den Eindruck, dass Ihnen die Sache mit Kastor immer noch sehr nahe geht … aber das ist ja nicht gestern passiert … ich meine: Sie haben seitdem doch bestimmt ein paar tausend Patienten behandelt …“
„Verzeihen Sie“, erwiderte Hofer und setzte sich wieder, „manche Dinge wühlen einen eben auf, egal, wie lang sie her sind … das geht Ihnen doch sicher genauso, oder?“
„Ja … als uns die Spurensicherung gesagt hat, dass die DNS auf Kastor passt, sind meinem Chef auch die Krallen ausgefahren … aber der war dabei, als sich Kastor in den Kopf geschossen hat … Sie haben ja mit Kastor später nichts mehr zu tun gehabt, oder?“
„Wann ich ihn zuletzt untersucht habe, weiß ich jetzt nicht genau … da müsste ich in den Unterlagen nachsehen … Ende der Achtziger vermutlich … aber ich weiß jetzt immer noch nicht, wie ich Ihnen bei diesen Mordfällen helfen kann …“
„Wer auch immer diese Haare am Tatort platziert hat, muss eine Beziehung zu Kastor oder seinem nahen Umfeld gehabt haben … es ist eine Botschaft, aber wir können sie nicht
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