Der bessere Mensch
legte das Buch weg und hob seine Arme, „das ist wahrscheinlich eine Spätabend-Rotwein-Fantasie eines Neuroplastikers … zumindest kann ich wegen des Codes, in dem es geschrieben ist, so schnell nicht mehr damit anfangen … gebt mir bis morgen Abend Zeit und ich kann vielleicht Genaueres sagen … hm, ist das Ente?“
32.
„Das muss ein guter Wein gewesen sein“, Schäfer gähnte übertrieben, als er am Morgen ins Esszimmer der Familie seines Bruders trottete, „überhaupt kein Kopfweh.“
„Ich schätze die Kriterien, nach denen du meinen Weinkeller beurteilst, außerordentlich“, antwortete sein Bruder, der mit einer Tasse Tee neben dem Tisch stand und im Aufbruch begriffen schien.
„Guten Morgen, Johannes.“ Monika kam mit einem Gedeck für Schäfer aus der Küche und stellte es eilig auf den Tisch.
„Morgen … Monika … seid ihr schon beim Gehen?“
„Ja … ich muss in die Klinik und nehme Monika in die Stadt mit. Kommst du allein klar?“
„Sicher … danke für das Frühstück …“
„Gerne … hier ist der Schlüssel für die Haustür. Vergiss nicht abzusperren, nimm deine Tabletten … und vergiss vor allem den Termin bei Kurt nicht. Fünf Uhr!“
„Mach ich. Danke.“
Schäfer holte ein Tablett aus der Küche, stellte sein Frühstück darauf und ging auf die Terrasse. Glutrot war der Himmel über der Bergkette im Westen, es konnte nicht später als sechs Uhr sein, Schäfer starrte in die Sonne, höher und höher würde sie steigen, den Tag machen und die Zeit vor sich her treiben, ihn selbst zum Abend hin treiben, an dem sie wie das Schwert des Damokles tiefer und tiefer auf seine Stirn herabsinken würde. Ha, ein Zettel und er hätte ein Gedicht, versuchte er der Panik Herr zu werden, die ihn anflog beim Gedanken an den kommenden Tag, an die Hoffnung, die er sich machte, den Fall zu lösen. Gegen vier war er durstig aufgewacht, ins Bad gegangen, hatte sich lange im Spiegel angeschaut und geschworen, dass er so nicht weitermachen würde. Egal, wie es ausging, etwas musste sich ändern, er wollte nicht zum so dumpfen wie wahren Klischee eines verhärmten und zynischen Prügelpolizisten werden. Diesen Fall versemmeln und er würde sofort kündigen und die Ausbildung zum Kindergärtner machen, diesen Fall lösen und mit Isabelle in Urlaub fahren und in aller Ruhe nachdenken, wie es weitergehen sollte. Er löffelte den Fruchtsalat aus Himbeeren, Äpfeln und Bananen, den garantiert Monika zubereitet hatte, und schöpfte neuen Mut. Kurz vor acht bekam er einen Anruf von Schranz. Bei Hofer war am Abend zuvor eingebrochen worden. Ein Nachbar hatte den Einbrecher gesehen, die Beschreibung passte zu ihrem Phantombild. Schäfer rief umgehend ein Taxi und ließ sich zur Polizeidirektion bringen.
„Wie lange hat der Mann den Einbrecher gesehen und aus welcher Distanz?“, fragte Schäfer die zuständige Polizistin.
„Er ist ihm praktisch im Treppenhaus gegenübergestanden …“
„Wann habt ihr ihm das Phantombild gezeigt … und wieso überhaupt?“
„Nachdem er uns eine genaue Beschreibung des Mannes gegeben hatte …“, die Beamtin sah Schäfer an, als ob sie ihm bald an die Kehle springen würde, präpotenter Wiener Bulle, „wir wissen Bescheid, in welcher Mordsache des LKA Wien Sie hier ermitteln und dass Hofer als Auskunftsperson geführt wird … da ist es nur naheliegend …“
„Schon gut … ich mache ja niemandem einen Vorwurf … was ist mit Doktor Hofer, wo war der?“
„Galadiner bei den Festspielen … ist von zwei Kollegen informiert worden … Oberstleutnant Schranz …“ Der betrat nun den Raum und deutete Schäfer, mitzukommen.
„Wie sollen wir damit umgehen?“, fragte er Schäfer geradeheraus, als sie in seinem Büro waren.
„Ist etwas gestohlen worden?“
„Doktor Hofer ist sich nicht sicher … ziemlicher Saustall in der Wohnung … er gibt uns Bescheid, sobald er mehr weiß … ich habe zwei Leute abgestellt, die ihn bewachen …“
„Gute Entscheidung … Sie waren mit Hofer bei diesem Galadiner?“
„Unter anderen, ja …“
„Wie hat er reagiert auf die Nachricht, dass bei ihm eingebrochen worden ist?“
„Na, wie wohl … gefreut hat er sich nicht …“
„Und dann?“
„Ich habe ihn zu seiner Wohnung begleitet, mit ihm gewartet, bis die Spurensicherung fertig war … soll ich Ihnen vielleicht das Protokoll bringen lassen …“
„Nein, nein … entschuldigen Sie, dass ich so … ich verstehe nur die Methodik nicht … wenn es
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