Der bessere Mensch
Sie sich erst einmal aus …“
„Bergmann!“, rief Schäfer seinem Assistenten nach, als dieser schon auf dem Weg hinaus war. „Warum soll ich die Fenster im Büro schließen, wenn ich die Klimaanlage anmache?“
„Warum? Na ja, bei einem Kühlschrank lassen Sie ja auch nicht die Tür offen, oder? … Wie kommen Sie jetzt darauf?“
„Ach … nur so.“ Schäfer schloss die Augen.
Als er aufwachte, saß Bergmann erneut neben seinem Bett und las in einer Tageszeitung.
„Ich habe Hunger.“
„Guten Morgen“, Bergmann legte die Zeitung weg. „Wir haben ihn gefunden … auf einem Parkplatz nicht weit vom Thumsee.“
„Und?“
„Hat sich allem Anschein nach selbst umgebracht … ziemliche Sauerei …“
„Lassen Sie mich raten … er hat sich mit Säure übergossen …“
„Chm …“
„Arme Sau … wissen Sie, was komisch ist?“ Schäfer setzte sich auf. „Dass er mir nie etwas getan hat … damals im Wald nicht, bei Mladic nicht … und gestern … erst knallt er ohne Vorwarnung die Gerngross ab und ruft dann Hofer an, um mir zu helfen … ich hätte ohne zu zögern auf ihn geschossen … wobei …“
„Verwandte Seelen?“
„Schnauze, Bergmann … was weiß ich …“
Für ein paar Minuten brachten sie beide kein Wort heraus. Sahen den Staubpartikeln zu, die im Sonnenlicht tanzten, das sich zwischen die Vorhänge geschoben hatte.
„Was denken Sie, wird mit Hofer?“, meinte Schäfer schließlich, als ihm das Schweigen unheimlich wurde.
„Strafrechtlich wird ihm nicht viel passieren … Fluchthilfe, Behinderung der Justiz, was weiß ich, das wird der Richter entscheiden … seine Zulassung verliert er auf jeden Fall …“
„Dafür wird er ein paar Millionen von den Medien kassieren für diese Geschichte … ganz zu schweigen von dem, was ihm die Forschungsinstitute und die Pharmaindustrie bieten werden …“
„Vielleicht steckt er es ja in seine Sozialprojekte …“
„Das traue ich ihm tatsächlich zu“, meinte Schäfer nachdenklich. „Als Kastor ihn angerufen hat, habe ich mir gedacht: Jetzt ist es vorbei … die bringen dich um und lösen dich in Säure auf … und dann hat er wie ein richtiger Arzt gehandelt … seltsam, oder?“
„Umgebracht hat er ja nie jemanden … vielleicht war er gar kein so übler Kerl … Bienenfeld und er, aus dieser Konstellation dürfte auch ein Spannungsfeld entstanden sein, das diese Energien freigesetzt hat … ich bin gespannt auf die Vernehmung …“
„Ohne mich geht gar nichts, das ist euch hoffentlich klar …“
Um zwei kam die Visite. Als Schäfer neben dem diensthabenden Arzt seinen Bruder sah, befiel ihn sofort das schlechte Gewissen. Er lag im Salzburger Landeskrankenhaus und hatte vergessen, Jakob zu informieren, der hier als Chirurg arbeitete.
„Tut mir leid, dass ich dich nicht verständigen habe lassen … ich war zu weggetreten und …“
„Schon in Ordnung“, antwortete Jakob, doch an seinem Blick konnte Schäfer sehen, dass er ihm sein Verhalten übel nahm.
Sie entnahmen zwei Blutproben, überprüften Puls und Blutdruck.
„Kann ich jetzt gehen?“, wollte Schäfer wissen, der auf keinen Fall Hofers Vernehmung versäumen wollte.
„Sicher … wenn Sie einen Revers unterschreiben.“
Die erste Vernehmung von Gernot Hofer fand in der Polizeidirektion Salzburg statt und dauerte acht Stunden. Anwesend waren neben Schäfer und Bergmann Oberst Kamp, Oberstleutnant Schranz, der zuständige Staatsanwalt und zwei deutsche Ermittler, die die Vorgänge in Gerngross’ Haus zu klären hatten. Hofer zeigte sich von Anfang an kooperativ und machte nicht den Eindruck, irgendetwas verheimlichen zu wollen. Aber wie Bergmann schon vermutet hatte: Es gab nicht viel, das ihm aus strafrechtlicher Sicht zur Last gelegt werden konnte – außerdem wurde ihm zugutegehalten, dass er einem Polizisten in einer lebensbedrohlichen Situation beigestanden hatte. Was den Ablauf der Ereignisse im Jahr 1995 betraf, bestätigte Hofer im Wesentlichen Schäfers Vermutungen: Nach seiner Flucht hatte Kastor Anke Gerngross angerufen und um Hilfe gebeten. Sie hatte Hofer informiert. Zuerst hatten sie ihm geraten, sich zu stellen – zumindest behauptete Hofer das –, doch nach Kastors hartnäckiger Weigerung hatten sie ihn aufgefordert, nach Großgmain zu kommen. Warum er nicht die Polizei informiert habe? Wo alle Medien in Österreich doch von Kastors spektakulärer Flucht und der Ermordung des Gendarmen berichtet hatten. An diesem Punkt schwieg
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