Der bessere Mensch
trocken, „wollte, dass ich ihn töte … will ich aber nicht …“
Hofer öffnete seine Tasche, nahm eine kleine Stablampe heraus und untersuchte Schäfers Pupillen. Für ein paar Minuten verschwand er aus Schäfers Sichtfeld, kam wenig später mit einer leeren Ampulle wieder, die er in seine Tasche warf – offenbar hatte er die Verpackung des Betäubungsmittels gefunden, das Gerngross verwendet hatte. Dann zog er eine Einwegspritze auf und injizierte Schäfer eine klare Flüssigkeit in eine Unterarmvene. Binnen Sekunden ging es ihm besser. Seine Gliedmaßen fühlten sich immer noch an wie zähflüssiges Blei, in seinem Kopf tanzten jetzt hellblaue Schlümpfe, doch er hatte seine Stimme wieder. Er warf einen Blick auf Kastor, der die Beretta im Schoß hielt.
„Was haben Sie mit mir vor?“, fragte er den Arzt.
„Wie meinen Sie das? … Ich lasse Sie ins Krankenhaus bringen, was denn sonst?“
„Danke“, antwortete Schäfer erleichtert, legte seinen Kopf zurück und schloss für einen Moment die Augen. „Und was ist mit ihm?“, meinte er dann und sah verstört den leeren Stuhl.
„Ich weiß es nicht …“
Vor dem Haus hörte Schäfer ein Auto wegfahren. Dem Motorengeräusch nach Gerngross’ Audi. Kein Wunder, dachte Schäfer, der hat es eilig.
22:57
„Verdammter Idiot!“, schrie Kovacs, als ihr ein silberner Audi die Vorfahrt nahm und sie zu einer Vollbremsung zwang.
„Ich habe das Kennzeichen“, sagte Bergmann angespannt, „um den kümmern wir uns später.“
„Nein!“, rief er einen Augenblick später und riss den Zettel mit den Kennzeichen aus dem Seitenfach. „Verdammt, bitte nicht das, was ich jetzt denke!“
23:01
Sie hörten berstende Scheiben, Rufe, heranstürmende Stiefel, Sekunden später waren sie von vermummten Männern umringt, die Sturmgewehre auf sie richteten. Einer der Männer warf Hofer zu Boden, packte ihn mit einer Hand am Genick und legte ihm mit der anderen Handschellen an. Ein zweiter Polizist durchsuchte Schäfer mit vorgehaltenem Gewehr, fand seinen Ausweis und ließ die Waffe sinken. Im nächsten Moment standen Kovacs und Bergmann im Raum.
„Die haben euch die Show gestohlen“, sagte Schäfer zu den beiden und verzog sein teilgelähmtes Gesicht zu einem dümmlichen Grinsen.
„Idiot!“ Bergmann trat auf ihn zu und gab ihm eine Ohrfeige. „Sie Arschlochidiot!“
Tränen standen ihm in den Augen.
35.
Rollentausch. Schäfer im Krankenbett, Bergmann auf einem Hocker neben ihm. Am Fußende Kovacs, die sich offenbar nicht entscheiden konnte, ob sie sich setzen und die Vertraulichkeit der beiden stören sollte oder nicht. Schließlich verließ sie das Zimmer mit dem Hinweis, dass sie noch etwas zu erledigen habe.
„Kastor ist mit dem Wagen von Gerngross weggefahren“, sagte Schäfer, den entsetzliche Kopfschmerzen zu quälen begannen – da waren ja die Drogen von vorhin noch besser gewesen.
„Wissen wir … wir wären fast mit ihm zusammengestoßen. Die Fahndung läuft, der kommt nicht weit.“
„Er hat mein Handy … versuchen Sie, es zu orten … außerdem sollen sie beim Thumsee nachschauen …“
„Warum?“
„Nur so ein Gedanke … was soll er denn jetzt noch tun … sein Ersatzvater ist tot … der Gerngross hat er eine Kugel in den Kopf geschossen, Hofer ist in Haft … er kann nirgendwo mehr hin … habt ihr wen zu Frau Bienenfeld geschickt?“
„Natürlich“, meinte Bergmann mit väterlicher Stimme. „Geht’s Ihnen besser?“
„Nein … mein Kopf zerspringt … ich hätte jetzt lieber das, was mir die Gerngross gespritzt hat …“
„Das hätte unter Umständen eine Atemlähmung verursachen und Sie umbringen können …“
„Die Furie … wir brauchen den Obduktionsbericht von Bienenfeld, wenn es einen gibt … kann sein, dass sie ihn umgebracht hat …“
„Warum hätte sie das tun sollen?“
„Sie hat was erwähnt, dass er Skrupel bekommen hat … außerdem kommt es mir komisch vor, dass er seine Unterlagen in dieser Berghütte versteckt hat … ich glaube, er hat Angst gehabt …“
„Vielleicht hat Kastor sie dort versteckt … um zu erfahren, was sie mit ihm gemacht haben …“
„Auch möglich … auf jeden Fall hat sie gewusst, dass er hinter den Morden an Born und Mladic steckt … und Schröck hat sie offensichtlich auch gekannt …“
„Sie haben anscheinend ein nettes Pläuschchen geführt …“
„Ja, ich war in Höchstform … überprüfen Sie das mit Schröck …“
„Das hat Zeit … jetzt schlafen
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