Der bessere Mensch
für alle seriösen Unterfangen hätte er bei diesen Beträgen wohl mit Karte bezahlt. Also wofür sonst gibt ein alter Mann so viel Geld aus, wenn seine Frau nicht zu Hause ist? Cherchez la femme!
Als Schäfer am Ring stand, winkte er ein Taxi heran und ließ sich ins Stuwerviertel im zweiten Bezirk bringen. Viel Hoffnung auf eine brauchbare Auskunft machte er sich nicht; aber versuchen musste er es.
Er stieg in der Lassallestraße aus und rüttelte kurz darauf an der Tür eines Lokals, das sich als Herrenclub ausgab. Als niemand öffnete, schlug er ein paarmal mit der Faust dagegen.
„Gepudert wird erst ab sechs“, meinte eine unwirsche Männerstimme, zu der wegen dem getönten Sichtschlitz kein Gesicht gehörte.
Schäfer holte seinen Ausweis aus der Jacketttasche und hielt ihn dem Mann entgegen, worauf die Tür aufging.
„Schäfer, na gut“, seufzte ein korpulenter und ungesund gebräunter Mittfünziger, „die Jackie ist eh schon auf.“
„Bezahlen werde ich … pudern nicht“, sagte Schäfer und betrat das Lokal, in dem bis auf eine Stehlampe an der Bar kein Licht brannte. Dass einem dieser Gestank nach kaltem Rauch, verschütteten Spirituosen und einem Hauch von Erbrochenem, den solche Lokale tagsüber ausatmeten, in der Nacht nie auffiel.
„Trinken kannst woanders billiger, Inspektor.“
„Dass sie den alten Born ermordet haben, weißt du bestimmt, oder?“
„Kann sein … geht mich nichts an …“
„Es geht nicht um dich … ich will wissen, ob er sich regelmäßig beliefern hat lassen …“
„Ich mach keinen Escort … und da herinnen hab ich den nie gesehen … bei mir kommen nur Anständige herein …“
„Natürlich … also: Wer ist da zurzeit gut im Geschäft? Schwarze Nobelstuten … darf was kosten …“
„Frag den Kapitän … aber sag nicht, dass ich dich geschickt habe … der beißt …“
„Hat der einen ganzen Namen?“
„Otto … hat das Femjoy beim Praterstern …“
„Und warum Kapitän?“
„Weil er nur ein Aug hat … und einen Papagei, verstehst?“
„Sicher … danke.“
Durch eine Seitengasse spazierte Schäfer zum Praterstern, blieb einmal kurz vor einem Zigarettenautomaten stehen und war nach einer Viertelstunde vor besagtem Etablissement. Nichts an dem noblen Neubau deutete auf ein Bordell hin. Ein dezentes Messingschild am Eingang, auf dem ebenso gut „Botschaft des Königreichs Schweden“ hätte stehen können. Schäfer läutete und hielt seinen Ausweis dem Kameraauge entgegen. Ein kurzes Summen, er drückte die Tür auf und ging zum Lift, der ihn in den obersten Stock brachte. Durch eine schwere Flügeltür gelangte er in einen riesigen Salon mit roten Samtmöbeln, Ölgemälden mit nackten Nymphen und reichlich barockem Zierrat … es sah aus wie im Warteraum eines in der freudianischen Ära hängen gebliebenen Luxuspsychiaters. Eine junge, ganz und gar unnuttige Frau begrüßte ihn höflich und fragte ihn nach seinen Wünschen.
„Ich muss zum Otto“, antwortete Schäfer und ärgerte sich, dass er nicht nach dem Nachnamen gefragt hatte.
„Ich werde sehen, ob der Herr Musil Zeit hat“, erwiderte sie und deutete ihm, Platz zu nehmen.
Schäfer setzte sich in einen der roten Fauteuils, blickte kurz sehnsüchtig in den goldenen, sandgefüllten Standaschenbecher neben sich und fragte sich, wo hier das Geschäft stattfand. Doch wenn das Femjoy das ganze obere Stockwerk einnahm, gab es wohl reichlich Platz für diskrete Begegnungen und wahrscheinlich auch noch ein paar weitere Ausgänge, die irgendwelche Türschilder mit Namen nicht existenter Anwaltskanzleien trugen. Vielleicht half das den verheirateten Freiern ja, ihre Lügen über spätabendliche Besprechungen selbst zu glauben.
Nach gut zehn Minuten kam die junge Frau wieder und bat ihn, ihr zu folgen. Durch eine ledergepolsterte Tür führte sie ihn in einen Raum, den Schäfer zu seiner Zufriedenheit als das Reich eines echten Zuhälters erkannte: dichte Rauchschwaden über dem riesigen geschmacklosen Schreibtisch, den zwei wachsame Dobermänner flankierten, an der Wand dahinter eine Fototapete eines Palmenstrands, auf dem zwei dauergewellte Blondinen im Sand lagen und ihre Brüste, die unnatürlich nach oben ragten, der Sonne hinhielten.
„Die beiden Burschen da können hoffentlich meine Glock erschnüffeln …“, sagte Schäfer zu dem Mann mit der Augenklappe, der in einem schwarzen Ledersessel hinter dem Schreibtisch thronte und sich mit einer Hand über seine Glatze strich, als
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