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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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ein Spitzname für einen Kriminellen …“
    „Weil er so einen langen Schwanz hat“, kicherte Schreyer plötzlich los, worauf die eine Hälfte der Gruppe verlegen zu Boden schaute und die andere sich das Lachen mehr oder weniger erfolglos zu verkneifen suchte.
    „Mein Gott, Schreyer.“ Schäfer schüttelte den Kopf. „Dir wird das Lachen auch noch vergehen, wenn du die Unterstunden abarbeitest, die du während der letzten Woche gesammelt hast. Also: Dabar … hört euch um, ob es im Milieu einen mit diesem Spitznamen gibt …“
    Kurz nach elf war die Besprechung zu Ende. Schäfer hatte Leitner und Kovacs auf die Untersuchung von Mladics Umfeld angesetzt – eine Tour de Force durch die Wiener Unterwelt, die man nach Schäfers Erfahrung nur mit strikter Abstinenz oder einem langjährigen Trinktraining durchstand. Er ging davon aus, dass Kovacs ab spätestens fünf Uhr nachmittags den Dienstwagen fuhr.
    Schreyer hatte er geraten, sich eine Matratze und eine Decke mitzubringen. In den nächsten Tagen würde er jedes Vergehen ausgraben, mit dem Mladic je in Verbindung gebracht worden war: Anklageprotokolle, Ermittlungsakten, Zeugenaussagen, Urteilserklärungen … am Ende der Woche sollte man seine Augenringe für dunkle Sonnenbrillen halten, gab Schäfer Schreyer zu verstehen, der mit jedem Wort, das sein Vorgesetzter an ihn richtete, einen Zentimeter zu wachsen schien. Die Narren füttert man eben am besten mit dem Abnormalen, dachte Schäfer und wandte sich an Strasser und die beiden Streifenpolizisten. Sie sollten die Nachbarn befragen und sich in der Gegend umhören, ob sich irgendjemand Auffälliger herumgetrieben hätte – schließlich ließ sowohl bei Born als auch bei Mladic alles darauf schließen, dass der Täter seine Opfer über längere Zeit beobachtet hatte. Nicht zu vergessen natürlich die Routinejobs: Telefonnummern, E-Mail-Verkehr, Konten und so weiter. Ach ja, nach dem Mittagessen würde er Bergmann besuchen. Sollte er ihm von jemandem etwas ausrichten? Und für einen Moment kam sich Schäfer vor wie der Kasperl, der sein kindliches Publikum nach dessen vollständiger Anwesenheit fragt.
    Das ist jetzt schon das zweite Mal bei diesem Fall, dass ich allein hier bin, dachte er wehmütig, als er nach der Morgenbesprechung in seinem Büro die Espressomaschine bediente. Wo sollte das noch hinführen … und dieser offene Angriff in der Klinik … verlor Bergmann vielleicht den Respekt vor ihm? Wollte er ihm seinen Rang streitig machen? Dann noch seine Freundschaft mit Isabelle … war da etwas im Gange, das Schäfer in seinem blinden Vertrauen Bergmann gegenüber nicht sah? Blödsinn, er setzte sich an den Schreibtisch, fuhr seinen Computer hoch und begann, den Bericht über den Vorgang des Vortags zu schreiben – auch das eine Aufgabe, die normalerweise Bergmann für ihn erledigte, wie Schäfer grummelnd feststellte. Am frühen Nachmittag machte er sich abermals auf den Weg ins AKH .
    „Wie geht es Ihnen?“, fragte er vorsichtig und räumte das Tablett mit dem Teller ab, in dem Bergmann offensichtlich nur herumgestochert hatte.
    „Es geht … müde … und wenn die Schmerzmittel nachlassen, brennt es ganz schön …“
    „Soll ich die Schwester rufen?“, fragte Schäfer mit einem Blick auf die leere Infusionsflasche.
    „Nein … die wissen schon, was sie tun … irgendwas Neues?“
    „Nicht wirklich … Befragungen laufen, Schreyer tobt sich in Mladics Vergangenheit aus … wir hören uns um, wer dieser Dabar sein könnte, von dem Mladic gesprochen hat … ob das ein Spitzname ist …“
    „Vielleicht ein alter serbischer Dämon“, meinte Bergmann und lächelte mit halb geschlossenen Augen.
    „Warten wir es ab … wie … wie geht es Ihnen eigentlich …?“
    „Das haben Sie mich schon gefragt …“
    „Ja … ich meine … abgesehen von den Verletzungen?“
    Bergmann wandte seinen Kopf und sah Schäfer an.
    „Warum … wie soll es mir gehen?“
    „Na ja … mir ist schon aufgefallen, dass Sie in letzter Zeit ein paar … dass Sie sich ein wenig verändert haben …“
    „Zum Guten oder zum Schlechten?“
    „Sie können ja gar nicht schlecht sein, Bergmann … nein, vielleicht ist es auch nur …“
    „Vielleicht sind Sie es …“, erwiderte Bergmann und legte den Kopf wieder gerade hin.
    „Ich?“
    „Weil Sie diese Medikamente nehmen … seitdem sind Sie sensibler, irgendwie menschlicher … und dadurch sehen Sie mich vielleicht anders … wie geht es Ihnen eigentlich? Kamp

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