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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Haderer
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eines Stehcafés und bestellte einen Cappuccino. Im Chronikteil stieß er auf einen Artikel über den Türken, der seine Tochter ermordet hatte. Noch in derselben Woche würde er vor Gericht stehen. Das war schnell gegangen, dachte Schäfer, andererseits gab es auch keinen Grund, den Prozess hinauszuzögern. Alle Indizien sprachen gegen den Mann, und sein Verhalten trug auch nicht dazu bei, an seiner Schuld Zweifel aufkommen zu lassen. Warum verschaffte ihm die Nachricht dann keinerlei Genugtuung? Warum hatte er im Gegenteil das Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben? Er hatte den Mann wie einen Menschen zweiter Klasse behandelt, ja, aber auch das war es nicht. Wer seine Tochter so behandelt, dem gehörte nichts anderes. Er musste etwas übersehen haben. Irgendetwas hatten er und auch Bruckner übersehen. Vielleicht würde ja der türkische Botschafter etwas entdecken, dachte Schäfer hämisch und ärgerte sich kurz über die verlogene Kosmetik, die den Verhandlungstisch säuberte, auf dem der türkische Premier und sein österreichisches Pendant bestimmt nicht über ethische Grundsatzfragen oder Migranten diskutieren würden, sondern über eine Erdgaspipeline oder etwas in der Richtung.
    Am Informationsschalter in der Bahnhofshalle erkundigte er sich nach einem Hotelzimmer. Kurz hatte er daran gedacht, sich bei seinem Bruder einzuquartieren. Doch noch wusste er nicht, wie lange er hierbleiben würde, und er wollte Jakob seine Anwesenheit nicht auf unbestimmte Zeit aufdrängen – zumal er zu seiner Schwägerin auch nicht das herzlichste Verhältnis hatte. Die meisten Hotels waren ausgebucht, da am folgenden Wochenende die Salzburger Festspiele begannen. So konnte er wählen zwischen einem Vierhundert-Zimmer-Betonbunker in Flughafennähe und einer Drei-Stern-Pension, die sich zumindest in der Altstadt befand – er entschied sich für die Pension. Durch den feinen Regen ging er zum Taxistand und ließ sich in die Altstadt zu seiner Bleibe bringen. Eine Rezeption gab es dort offenbar nicht. Nur eine holzgetäfelte Gaststube mit drei Tischen und einer Bar, hinter der eine Frau um die fünfzig im Dirndlkleid stand und ihre semmelblonde Betonfrisur synchron zur Bewegung der Hand neigte, mit der sie ein Glas nach dem anderen unter die Zapfanlage hielt. Schäfer beobachtete sie eine Weile. Er kannte ein ähnliches Verhalten von Müttern, die ihre Babys fütterten und bei jedem Löffel selbst den Mund aufrissen. Aber den Kopf zur Position des Bierglases drehen, das man füllt … ein erstaunliches Exemplar. Er trat an die Bar und wartete, bis sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte.
    „Schäfer … ich habe ein Zimmer reserviert.“
    „Richtig, ja“, meinte sie und zeigte zu seiner Erleichterung ein Lächeln, „warten Sie, ich bringe gleich die Schlüssel.“
    Sie verschwand in der Küche und kam kurz darauf mit einer Holzbirne wieder, an der zwei Schlüssel hingen – einer für die Haustür und einer fürs Zimmer, wie sie ihm erklärte. Und dieses schwere Trumm sollte er immer mit sich herumschleppen? Nein, er könne ihn gerne auch dalassen, es wäre sowieso immer wer im Haus. Na schön, dachte er, warum leicht, wenn es auch schwer geht. Er hob seine Tasche auf, verließ die Gaststube und stieg über eine steile Holztreppe in den zweiten Stock hinauf.
    Die Matratze war in Ordnung – zu allem anderen dachte er sich, dass er ohnehin nicht vorhatte, viel Zeit im Zimmer zu verbringen. Er räumte seine Tasche aus, zog sich aus und stellte sich unter die Dusche, die so eng war, dass beim Waschen der Achseln die Ellbogen unweigerlich an die Wand schlugen. Dann setzte er sich aufs Bett und überlegte. Er hatte Hunger; bei den örtlichen Restaurants kannte er sich allerdings nicht aus und würde bestimmt in einer Touristenfalle landen. So rief er seinen Bruder an und fragte ihn, ob er Lust habe, mit ihm essen zu gehen, da er in Salzburg sei. Sie säßen gerade beim Abendessen, er solle vorbeikommen, und überhaupt: Wieso er sich nicht vorher gemeldet hätte, wo er denn schlafe, warum das immer das Gleiche mit ihm sei? Jaja, antwortete Schäfer, bis gleich.
    Sein Bruder wohnte in Anif, einem kleinen Vorort, eigentlich ein Dorf, in das die Stadt mittlerweile hinausgewachsen war. Als Schäfer das Gartentor aufdrückte, wurde ihm wie jedes Mal, wenn er hier war, bewusst, wie unterschiedlich sie beide waren. Dieser penible Rasen, diese geometrische Auffahrt, in der jeder Kiesel gleich groß zu sein schien, dieses Muster an einem

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