Der bessere Mensch
vorher ein paar zusätzliche Fakten sammeln, bevor ich ihm gegenübertrete … bis jetzt habe ich ja so gut wie gar nichts, was ich ihn fragen könnte …“
„Was willst du dann eigentlich von ihm?“
„Weiß ich noch nicht genau … ich muss einfach alle möglichen Zusammenhänge überprüfen … vielleicht ergibt sich was draus …“
„Reden wir später … ich kann jetzt nicht …“
„Gut“, erwiderte Schäfer, legte sich aufs Bett und schloss die Augen.
„Wieso träume ich von Kühen, die auf Hüpfbällen herumspringen?“, fragte er benommen ins Handy, das ihn aus dem Schlaf gerissen hatte.
„Wie bitte? … Ich bin’s, Bergmann, nicht Ihr Therapeut …“
„Schade … wie spät ist es?“
„Kurz nach acht … haben Sie schon geschlafen?“
„Nur ein kurzes Energienickerchen“, meinte Schäfer und vergewisserte sich mit einem Blick auf die Uhr, dass er tatsächlich über eine Stunde geschlafen hatte. „Alles okay bei Ihnen? Sind Sie noch im Krankenhaus?“
„Ja, morgen werde ich entlassen … ich wollte Ihnen noch was sagen … also, Punkt eins: Mladic hat doch Kamp gegenüber mehrfach von einem Dabar gesprochen, was wir als Biber übersetzt haben … aber wenn man das ins Französische übersetzt …“
„Warum?“
„Weil Mladics Mutter Französin war und er selber, wenn er besoffen war, immer wieder so dreisprachig daherfantasiert hat … auf jeden Fall heißt Biber auf Französisch Castor! … Ah, Schwester, früh sind Sie heute dran …“
Schäfer setzte sich auf und rätselte, welche Medikamente Bergmann verabreicht worden waren.
„Sehr schön, gute Arbeit, Bergmann … und Punkt zwei?“
„Ja, Sie wollten doch etwas über diesen Hofer wissen, den Sohn vom Nazidoktor …?“
„Ja, aber ich wollte es von Kovacs wissen … Sie sollen sich ausruhen und schonen …“
„Mache ich doch … aber hören Sie zu: Gernot Hofer, also der Junior, hat 1992 die Leitung dieser Neuroklinik in Großgmain übernommen … und wen hat er an seine Seite geholt?“
„Was wen? Wird das jetzt eine Rätselstunde?“
„Max Bienenfeld! Der als kleines Kind am Spiegelgrund interniert war und von Hofers Vater fast ermordet worden ist … der vor knapp einem Monat in besagter Klinik an Herzversagen gestorben ist!“
„Hm“, machte Schäfer, der noch nicht wach genug war, um den Hochgeschwindigkeits-Ausführungen seines Assistenten zu folgen. „Und was sagt uns das?“
„Wie, was sagt uns das? Hofer senior: Nazi. Opfer eins, Hermann Born: Nazi. Hofer junior und Max Bienenfeld, Naziopfer, arbeiten gemeinsam in einer Klinik in Großgmain, zehn Kilometer von der Stelle entfernt, wo sich Kastor erschossen hat … der Kastor, den Hofer junior als Kind behandelt hat … und dann Bienenfelds Tod, kurz bevor unser Mörder in Aktion tritt … also bitte!“
„Ja, danke, Bergmann, dem werde ich auf jeden Fall nachgehen … schlafen Sie sich aus, wir hören uns morgen.“
Schäfer legte auf und öffnete das Fenster, um frische Luft in den stickigen Raum zu lassen und die letzten wirren Traumschwaden aus seinem Kopf zu vertreiben. Kühe auf Hüpfbällen … das war interessant … schließlich hielten sich die Tiere dabei an zwei Gummigriffen fest, die an ihre eigenen Euter erinnerten. Ah, diese verworrenen Wege, diese fehlgeleiteten Meridiane, warum gab es hier keinen Wedekind, der ihm das ins Fließen bringen konnte … Wedekind, schräger Vogel, fehlte nur noch, dass der sich auch in ihren Fall einzuschleichen begann … so wie Bienenfeld … der verfolgte ihn nun schon seit dem Tag, als er mit seinem Bruder telefoniert hatte. Als der auf Bienenfelds Beerdigung gewesen war. Gernot Hofer hatte also Max Bienenfeld zu sich in die Klinik nach Großgmain geholt … den Mann, den sein Vater beinahe ermordet hatte … wieder so eine Wiedergutmachungsgeschichte … dieser Hofer tat offenbar wirklich alles, um das böse Karma seines Vaters abzuarbeiten … nur: Was hatte Bienenfeld mit diesem Fall zu tun? In Kastors Krankenakte war er nicht erwähnt, und nur weil er ein Naziopfer war und der ermordete Born ein Hitlerfan … mit dem zeitlichen Zusammentreffen hatte Bergmann natürlich recht … aber Jakob hatte ihm versichert, dass Bienenfeld an Herzversagen gestorben war … musste er jetzt dessen Tod auch noch untersuchen? Schäfers Magen knurrte. Er schrieb eine SMS an Kovacs mit der Bitte, Informationen über Max Bienenfeld einzuholen, dann schob er seine Dienstwaffe unter die Matratze und ging in
Weitere Kostenlose Bücher