Der bessere Mensch
setzen.
„Kriegen wir frühestens morgen wieder … frühestens!“
Schäfer blieb einen Moment verdutzt stehen und setzte sich dann. Kein guter Tag, er ahnte, was der Pfleger gemeint hatte.
„Herr Schalk, ich bin von der Polizei und würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen …“
„Frühestens morgen, eher erst gegen Ende der Woche!“
„Sie kennen Doktor Hofer“, versuchte Schäfer die direkte Herangehensweise, „Sie haben mit ihm gearbeitet, am Unfallkrankenhaus.“
„Das kann ich Ihnen nicht sagen, da müssen Sie morgen wiederkommen“, winkte Schalk kopfschüttelnd ab.
Schäfer sah ihn an und versuchte einzuschätzen, ob ihm der alte Mann etwas vormachte.
„Sie haben Paul Kastor obduziert.“
Schalk wandte sich ihm zu und sah ihm angestrengt in die Augen. Etwas bewegte sich, war Schäfer sicher, irgendetwas war in Gang gekommen, doch es schien zu verschüttet, als dass der alte Mann es an die Oberfläche bringen konnte. Schäfer drückte ihm die Hand, stand auf und machte sich auf die Suche nach dem Pfleger, den er bei einem Pavillon fand, wo er sich mit einer alten Frau unterhielt.
„Was genau fehlt ihm?“, wollte Schäfer wissen, nachdem die beiden ihr Gespräch beendet hatten.
„Alzheimer … aber so schlecht wie in den letzten Tagen war es schon lange nicht mehr.“
„Ist irgendetwas Außergewöhnliches vorgefallen?“
„Nein … Sie sind von der Polizei, stimmt’s?“
„Ja … wäre hilfreich, wenn Sie das einstweilen für sich behielten.“
„Kein Problem … was wollen Sie denn von ihm?“
„Das, was er nicht hat … eine Erinnerung.“
„Vielleicht sollten Sie mit Doktor Hofer reden, der kann Ihnen bestimmt weiterhelfen …“
„Wieso?“
„Das ist sozusagen sein Leibarzt … kommt einmal die Woche, um nach ihm zu sehen.“
„Und er kümmert sich auch um die Medikation?“
„Natürlich … Doktor Hofer ist einer der angesehensten Spezialisten auf diesem Gebiet …“
„Danke.“
Schäfer ging zurück auf den Parkplatz. Schon wieder Hofer, kein Schritt, ohne über dessen Namen zu stolpern. Er setzte sich in den Wagen und rief Kovacs an. Sie sollte den Schulpsychologen ausfindig machen, der Kastor damals betreut hatte. Dann einen Doktor Clemens Schalk überprüfen. Ob der in irgendeinem Zusammenhang mit Born oder Schröck stünde, Mladic könnten sie wohl vergessen. Und Schreyer solle ihm bitte alles zusammentragen über Max Bienenfeld, ehemals Doktor an dieser Neuroklinik in Großgmain. Wieso hatte das Bergmann schon gemacht? Eigeninitiative, aha, na wenn Kamp das gutheißt, habe er nichts dagegen, zurzeit hatte ja der Oberst in diesem Fall das Sagen.
Missmutig legte Schäfer auf. Bergmann, der hinterfotzige Streber! Glaubt, dass er machen kann, was er will, nur weil er im Krankenstand ist und mit irgendwelchen bewusstseinserweiternden Opiaten zugedröhnt. Eigeninitiative am Arsch, der war spitz darauf, den Fall zu lösen, während er hier in Salzburg neben sabbernden Halbzombies auf der Gartenbank saß. Aus dem Schussfeld nehmen … wegen des Besuchs dieses Türken … jaja, Herr Oberst, aus den Augen, aus dem Sinn, das hatte Kamp mit ihm gemacht, nur wegen dieses … Schäfer stieg aus dem Wagen und suchte den Parkplatz nach Zigaretten ab. Keine einzige halbgerauchte, war doch nicht möglich, gerade beim Einsteigen warfen doch viele Menschen, die im Auto nicht rauchten, mehr als einen Stummel weg. Als eine Frau im Ärztekittel über den Parkplatz ging, richtete er sich schnell auf, rief ihr „Kontaktlinse!“ zu und stieg wieder in seinen Wagen. Ich brauche meine Tabletten, sagte er sich, nachdem er ein paarmal tief durchgeatmet hatte. Er war sich nicht einmal mehr sicher, sie am Vortag genommen zu haben. Zum Frühstück schluckte er sie normalerweise, doch in dieser beschissenen Pension, ruhig!, mahnte er sich, alles unter Kontrolle, ist alles nur wegen des plötzlichen Absinkens des Serotoninspiegels im Gehirn, da kamen dann die Ängste und die Unruhe und die Zwangsgedanken verstärkt wieder, alles nur im Kopf, hatte er sich nicht letztes Jahr eingebildet, dass ein Serienmörder hinter ihm her wäre? Und, was war gewesen? Wieso sollten Kamp und Bergmann denn plötzlich Interesse haben, ihn loszuwerden, das ergab überhaupt keinen Sinn, andererseits: Bergmann hatte ihn im Krankenhaus beschimpft, seine Hemmschwelle war gebrochen worden, quasi in Narkotikum veritas, also hegte er doch einen versteckten Groll gegen seinen Vorgesetzten, er sollte seinen
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