Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
eigentlich tat. Sie wandte den Blick von der Frau im
roten BH
ab und sah noch einmal zu den fröhlichen Gästen des Restaurants. Anna fühlte
sich plötzlich einsam. Sie schnippte die Zigarette ins Dunkel der Nacht,
blickte kurz dem glühenden Punkt hinterher, dann ging sie zurück in ihre nur
langsam abkühlende Wohnung und schloß die Vorhänge.
Mittwoch, 29. Juni
Am nächsten Abend war Pete Eigentümer eines Bettes, eines
Kleiderschranks, zweier Ledersofas, einiger Kleinmöbel und einer
Küchen-Startbox von Ikea. Alles war mit großem Pragmatismus gekauft und
erfüllte die Anforderungen einer Zwischenlösung. Pete hatte keine Ahnung, wie
lange er von Wiesbaden nach Hamburg ausgeliehen war. Am Erfolg der SOKO
zweifelte Pete keine Sekunde. Es konnte einen Monat dauern, es konnte aber auch
ein Jahr dauern, bis sie den Bestatter fassen würden. In der Zwischenzeit
wollte er die geforderte Berichterstattung für den BKA-Präsidenten aufs Minimum
beschränken. Christian und seine Truppe waren ihm sympathisch, und er hatte
weder Lust, sich von alten Männern für ihre politischen Machtspielchen
instrumentalisieren zu lassen, noch hatte er es nötig. Er war zu gut, um seine
Karriere auf diese Weise befördern zu müssen.
Bis zum Wochenende sollten der Kleinkram und das Bett geliefert
werden, der Rest einige Tage später. Samstag war Umzug vom Hotel in die neue
Wohnung, eine wenig aufwendige Angelegenheit, da er lediglich seine zwei
Koffer, den Laptop, den Mini-Drucker und einige Bücher mitnehmen mußte. Pete
war zufrieden mit dem Tag. Er hätte gern mit Anna gefeiert, wobei er sich eine
Art Neuinszenierung von Shakespeares »Der Widerspenstigen Zähmung« vorstellte.
Während er noch überlegte, ob er sie anrufen und ihr verzeihen sollte,
klingelte sein Handy. Es war Yvonne, die sich entschuldigte, ihn an seinem
freien Tag zu stören. Es gebe jedoch Neuigkeiten, und deswegen bitte Christian
ihn und die anderen in einer halben Stunde auf ein Bier in seine Stammkneipe,
das R&B
in der Weidenallee.
Auch wenn Yvonne die Order freundlich wie immer
weitergegeben hatte, ärgerte sich Pete über Christians Feldherrenart. Dennoch
machte er sich sofort auf den Weg.
Er war als erster da und besah sich die szenige Kneipe, deren
Restaurantteil mit den 50er-Jahre-Stofflampen und den schreiend bunten Wachstüchern
auf den Tischen ein wenig an Omas Wohnküche erinnerte. Aufgrund der
mittlerweile angenehmen Temperaturen und der drinnen reichlich abgestandenen
Luft entschied er sich für einen von Platanen beschatteten Platz vor der Tür.
Damit niemand das berufliche Gespräch, das gleich anstand, mitbekommen würde,
setzte er sich etwas abseits von den wenigen anderen Gästen. Kaum hatte er sich
was zu trinken bestellt, kamen Christian, Volker, Eberhard und Daniel an.
Christian streckte ihm zur Begrüßung förmlich die Hand hin. Pete stand auf und
drückte sie irritiert.
»Hi, Pitt, ich bin Christian«, sagte Christian und setzte sich.
Volker gab ihm die Hand: »Tach, Pitt. – Volker.«
Eberhard und Daniel vollendeten das Ritual, und Pete verstand: Sie
hatten ihm das Du angeboten. Daß sie ihn ab sofort Pitt nennen würden, stellte
für ihn keine Herabwürdigung dar. Die Verleihung eines Spitznamens kam sogar
vielmehr einem Ritterschlag gleich.
Pete vermutete, daß sein Vorschlag von gestern, die
Flugpassagierlisten zu checken, zu irgendeinem Ergebnis geführt hatte. Er
zügelte jedoch seine Neugier und überließ Christian das Tempo.
Der wurde erst mal mit einem kräftigen Schulterklopfen vom Kellner
begrüßt: »Na, Chris, habt ihr den Bestatter endlich?«
Christian antwortete lapidar: »Du erfährst es als erster, Michel,
versprochen.« Er tauschte noch einige Belanglosigkeiten mit Michel aus, bevor
er eine Runde Bier für alle bestellte. Auch für Pete, ungeachtet der Tatsache,
daß dieser ein noch fast volles Glas vor sich stehen hatte.
Alle grinsten Pete zufrieden an, sprachen aber kein Wort, bis das
Bier da war. Dann wurde erst angestoßen und in langen durstigen Zügen
getrunken. Mit einer zufriedenen Geste wischte sich Christian den Schaum von
der Oberlippe und wandte sich in unverbindlichem Plauderton an Pete: »Na, alles
eingekauft für die neue Bude?«
Pete bemühte sich, ebenso salopp zu antworten: »Ihr könnt ja
demnächst mal vorbeikommen und meine Gabeln zählen. Und was ist heute bei euch
gelaufen?«
Volker gab Antwort: »Ich habe mich zum x-ten Mal durch alle
wesentlichen Zeugenaussagen gewühlt, vom
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