Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Beziehung stürzt. Hängt vielleicht auch mit meiner Arbeit
zusammen. Insofern bin ich ganz froh, daß du das ähnlich siehst mit uns. Ich
finde dich toll, ganz große Klasse, aber das darf nicht in Streß ausarten.«
Anna nickte. »Wo es so viele attraktive Kellnerinnen auf der Welt
gibt.«
Pete sah sie überrascht an.
»Ich habe dich mit ihr gesehen heute morgen. Vor deinem Hotel. Aber
jetzt sag bloß nicht, ich hätte dich geradewegs in ihre Arme getrieben«, warnte
Anna ihn lächelnd.
»Genauso war’s«, griff er ihre Anregung auf, »nachdem du mich
sitzengelassen hast, war ich zu Tode betrübt und wollte mir mit der Gabel die
Pulsadern aufschlitzen. Das hat sie gesehen, und aus lauter Mitleid ist sie
dann mit mir ins Hotel gegangen. Es ist nichts passiert, sie hat nur
aufgepasst, daß ich mir nichts antue. Alles wegen dir!«
»Dann bin ich ja beruhigt!« Anna mußte lachen.
Sie tranken Bier und schwiegen eine Weile.
»Warum hast du eigentlich Psychologie studiert?« fragte Pete
unvermittelt.
»Aus den gleichen Gründen wie alle anderen«, gab Anna fast beiläufig
zur Antwort. »Als pubertierende Jugendliche hielt ich mich für anders als die
anderen. Ich wollte rausfinden, was mit mir los ist.« Sie machte eine Pause.
»Im Grunde ist die Sache noch banaler. Rebellion gegen Papi, vermutlich.
Abgrenzung. Mein Vater ist ein ziemlich bekannter Physiker, seine
intellektuellen Kapazitäten grenzen ans Geniale. Aber er läßt immer nur gelten,
was er deduktiv oder empirisch beweisen kann. Gefühle sind für ihn maximal eine
biochemische Reaktion unseres Hormonsystems. Obwohl Psychologie eine empirische
Wissenschaft ist, hält er alles, was damit zusammenhängt, für Scharlatanerie.
Weil der Gegenstand, den wir untersuchen – seiner Meinung nach das menschliche
Gehirn – und unser Untersuchungsinstrument identisch sind. Wir können somit gar
keine gültigen Aussagen treffen.«
»Und du bist angetreten, ihm das Gegenteil zu beweisen?«
Anna nickte müde: »Damals schon. Im ersten Semester, vielleicht noch
im zweiten.«
»Und jetzt?«
»Ist es mir egal. Er ist mir egal.«
Pete sah sie beinahe mitfühlend an. Sie wußte, daß er wußte, daß sie
log.
»Und du?« lenkte sie ab. »Du hast auch Psychologie studiert.«
»Rebellion gegen Mami«, konterte Pete. »Und zuviel Fernsehen, zuviel
Kino. Ich bin in Deutschland bei meiner Mutter aufgewachsen. Weil mein
amerikanischer Vater sie verlassen hat, als ich noch ganz klein war, haßt sie
alles, was von drüben kommt. Ich war logischerweise ein großer Fan von US-Filmen
und Serien, trug Baseball-Käppis und ging, kaum war ich volljährig, über den
Teich zu meinen Vater. Er hat sich nicht um mich gekümmert, aber das wollte ich
auch nicht. Jedenfalls habe ich mir die ersten Monate, als ich dort war und
über meine Zukunft nachdenken sollte, diese ganzen Serien reingezogen: CSI,
Profiler, Pretender und so. Also dachte ich, so was wäre verdammt cool.«
Anna sah Pete hinterher, als er aufstand, um neues Bier zu holen.
Sie fragte sich, ob er tatsächlich so sorglos war, wie er sich gab. Und ob er
gut war in dem, was er tat.
»Ich habe dich heute im Fernsehen gesehen«, meinte Anna, als er auf
die Terrasse zurückkam, »als dieser Kommissar interviewt wurde, standest du mit
zwei anderen Typen hinter ihm.«
»Wurde gestern aufgezeichnet. Die Typen waren Volker und Eberhard,
meine neuen Kollegen, und der Kommissar heißt Christian Beyer, mein Chef
momentan.«
»Wie ist er denn so? Sieht ziemlich attraktiv aus.«
»Er gefällt dir? Frechheit, du hast doch mich!«
Anna grinste: »Habe ich das?«
»Zumindest hin und wieder. Zwischendurch.«
»Das reicht.«
Nach einer kleinen Pause, in der sie die von ihnen beiden betonte
Belanglosigkeit ihrer Beziehung als beruhigend empfand, fragte sie: »Ihr jagt
den Bestatter?«
Pete nickte.
»Und? Kriegt ihr ihn?«
»Ja … Wir haben vielleicht eine heiße Spur«, antwortete Pete.
Anna reichte Pete ein Bier. »Davon stand gar nichts in der Zeitung.«
»Das wird auch so bleiben. Bei einer Ermittlung werden manche
Details nicht an die Presse gegeben. Um den Mörder in Sicherheit zu wiegen.
Oder um falsche Geständnisse zu erkennen.«
»Du meinst, spezielle Dinge, die nur der wirkliche Mörder wissen
kann?«
»Ein Detail der Täterhandschrift, seine Signatur.«
»Und der Bestatter hat auch so eine Signatur? Neben der Art, wie er
die Kinder aufbahrt, meine ich?«
»Wir halten ein bestimmtes Detail zurück«,
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