Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
ins Präsidium kommen? Keiner außer
den Leuten von meinem Team wird wissen, wer du bist und warum du da bist.«
»Warum bin ich denn da?«
»Detering kommt, um eine Aussage zu machen. Wir wollen überprüfen,
ob er für alle Tatzeiten ein Alibi hat. Und ich möchte gern, daß du mit mir
hinter der Glasscheibe stehst und ihn dir noch mal ganz genau anschaust. Die
Fotokopie, die ich dir gestern gezeigt habe, war nicht sonderlich gut.«
»Gut genug, ich bin ganz sicher …«, widersprach Anna.
»Tu mir den Gefallen, ich muß auch ganz sicher sein.«
Anna nickte: »Und zweitens?«
Christian sah Anna in die Augen. »Tut mir leid, daß ich dich das
fragen muß, aber wann warst du zum ersten Mal mit Pete im Bett?«
Entgeistert sah Anna ihn an: »Was soll das?«
»Vertrau mir. Ich muß es wissen.«
Anna überlegte: »Das war am 24. Juni, vergangenen Freitag. Da habe
ich meinen Vortrag an der Uni gehalten.«
»Wart ihr danach bei dir?«
Anna wurde langsam sauer: »Nein, in seinem Hotel. Willst du auch
noch was über Stellungen und Praktiken wissen?«
Christian verneinte beklommen: »Nein, darum geht’s nicht. Wann war
Pete das erste Mal bei dir zu Hause? Das war er doch schon, oder?«
»Am Montag danach. Also diese Woche.«
»Sein erster Arbeitstag«, sinnierte Christian, »und an deiner
Haustür hängt ein Schild: Psychotherapie.«
Anna nickte: »Würdest du mir jetzt mal auf die Sprünge helfen?«
Unwohl erklärte Christian ihr, daß Detering sie eventuell als
Therapeutin ausgewählt hatte, weil sie mit einem der SOKO-Mitglieder liiert
war. Zumindest konnte man den Eindruck haben. Oder glaubte sie an Zufall? Einen
Tag, nachdem Pete bei ihr zu Hause war, hatte sie einen neuen Patienten, der
ihr in einem rasanten Tempo sein Seelenleben zu Füßen legte.
»Damit ich euch informiere?« Anna war verunsichert.
»Keine Ahnung. Mir gefällt das jedenfalls nicht.« Christian konnte
ihr keine schlüssige Erklärung geben.
»Es kann also sein, daß er Pete bis zu mir gefolgt ist.«
Christian nickte: »Es kommt gar nicht so selten vor, daß der Gejagte
aus der Deckung heraus seine Jäger beobachtet. Um über ihre Schritte informiert
zu sein. Und daß wir ihn jagen, ging ja deutlich genug durch die verdammte
Presse. Mit unseren Namen und Hackfressen in der Kamera.«
Anna sah sich unwillkürlich um: »Das heißt, er könnte auch mich
beobachten.«
»Genau das macht mir Sorgen«, sagte Christian.
Kurz vor siebzehn Uhr kam Anna im Polizeipräsidium in der
City Nord an. Die Befragung Deterings war von Christian im Präsidium angesetzt
worden, weil die repräsentativeren Räumlichkeiten sich dafür erheblich besser
eigneten und weil Außenstehende in der kleinen, miesen Einsatzzentrale in der
Schanzenstraße wahrlich nichts verloren hatten. Anna hatte sich umgezogen, den
aufreizend kurzen Rock gegen eine weit geschnittene Hose eingetauscht, mit
einem dünnen Hemd darüber. Christian holte sie unten im Foyer ab, wo sie den
Sicherheits-Check durchlief, und brachte sie zum großen Konferenzraum, in dem
Volker, Eberhard und Pete das bevorstehende Verhör besprachen. Daniel saß träge
dabei und hörte nur zu. Anna gab allen die Hand, Pete begrüßte sie mit
distanzierten Wangenküssen und einer nicht allzu vertrauten Umarmung. Er ließ
sich nicht anmerken, ob ihm die Verstrickung seiner Affäre in den Fall
unangenehm war. Auch Anna blieb reserviert. Viel Zeit, die privaten
Konstellationen auszuloten, blieb nicht, denn Yvonne streckte den Kopf herein
und meldete Deterings Ankunft: »Seinen Anwalt, einen Herrn Doktor Blei, hat er
gleich mitgebracht. Arrogante Idioten. Haben mich behandelt wie Taubenschiß auf
der Krawatte.«
Christian nickte Pete und Volker zu. Die beiden gingen hinaus. Anna
gab Daniel ihren Laptop, damit dieser herauszufinden versuchte, von wo aus die
Mails an sie abgeschickt worden waren. Dann nahmen Christian und Eberhard Anna
eilig ins Schlepptau und führten sie über den Flur in einen engen,
abgedunkelten Raum, in dem man durch eine kleine Scheibe in ein nebenan
liegendes Zimmer blicken konnte.
»Auf der anderen Seite ist ein Spiegel?« fragte Anna.
Eberhard nickte: »Unten drunter hängt ein Waschbecken. Sie können
uns nicht sehen.«
Anna hatte immer gedacht, daß solche Beobachterposten nur in
amerikanischen Krimis existierten. Allerdings war das Verhörzimmer nicht so
karg und abweisend möbliert, wie sie es aus Filmen kannte – mit einem langen
Holztisch, einem Mikro und einem
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