Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Christian ihr gezeigt hatte. Christian seufzte: Er war also selbst schuld.
Müde entschied er, die Mappe über Nacht mit nach Hause zu nehmen, um alles in
Ruhe zu lesen. Morgen früh war der Richter vorgeladen, danach würde ein
Gespräch mit Detering in Anwesenheit seines Anwalts stattfinden.
»Laß mich mit ihm reden«, bat Anna.
Ruhig sah Christian sie an: »Warum willst du das?«
»Die Therapie und auch die Mails an mich zeigen, daß er mir
vertraut. Und daß er sich am liebsten alles von der Seele reden würde.
Vielleicht kann ich ihn zu einem Geständnis bewegen.«
Christian sah Anna so forschend in die Augen, daß ihr ganz seltsam
wurde, doch sie wich seinem Blick nicht aus.
»Ich weiß nicht. Ich habe einen ganz anderen Eindruck von dem Kerl
als du. Aber vielleicht hast du recht«, sagte er schließlich.
»Laß es uns versuchen«, sagte Anna.
Mit langsamen Bewegungen packte Christian die Mappe und das Band
zusammen. Dann griff er nach seinem Handy und rief sich ein Taxi.
»Deine Kleider sind doch noch gar nicht trocken«, entfuhr es Anna.
Sofort ärgerte sie sich, denn ihr war nur allzu deutlich anzuhören, wie sehr
sie sich wünschte, er würde bleiben.
»Ich nehme sie naß mit, wenn ich deine schicken Sportklamotten noch
anbehalten darf.«
Anna sah Christian enttäuscht hinterher, als er ins Bad ging, um
seine Sachen zu holen. Als der Taxifahrer klingelte, beugte er sich zu ihr und
küßte sie auf ihr Pflaster: »Ich werde in deinem Sweatshirt schlafen. Es riecht
gut.« Er zwinkerte ihr zu und ging. Als Anna kurz darauf beim Zähneputzen in
den Badezimmerspiegel sah, ertappte sie sich dabei, daß sie immer noch
glücklich lächelte.
Dienstag, 5. Juli
Die Aussage des Richters, eines Herrn Professor Dr.
Gernhardt, ging am nächsten Morgen schnell über die Bühne. Er kam pünktlich ins
Polizeipräsidium, verwies auf seine Kooperationsbereitschaft, die ihn ohne
juristische Notwendigkeit nach Hamburg führte, bestätigte bis ins kleinste die
Behauptungen Deterings, bat um größtmögliche Diskretion aus Rücksicht auf seine
gesellschaftliche und berufliche Stellung und ließ sich ansonsten nicht von
seinem professionellen Habitus abbringen. Eine gewisse Nervosität war ihm zwar
anzumerken, aber auch Volkers lapidare Bemerkung, daß er ja äußerst unangenehm
schwitze, brachte ihn nur kurz in Verlegenheit. Das Interessanteste an ihm war
der Verband seiner linken Hand. Auf Christians Nachfrage erzählte Gernhardt
knapp von einem gescheiterten Versuch, in seinem Landhaus bei Daun in der Eifel
den Rasenmäher zu reparieren. Den kleinen Finger habe er dabei leider
eingebüßt, zwei andere seien verletzt. Keiner glaubte ihm. Gernhardt machte
mitnichten den Eindruck, als würde er sich zur Gartenarbeit herablassen. Doch
trotz aller Zweifel an Gernhardts Aussage würden sie Detering erst mal auf
freien Fuß setzen müssen.
»Der feine Herr Richter stank vor Angst«, befand Volker. Er
chauffierte Christian und Eberhard hektisch die Spuren wechselnd durch den
Verkehr, zu einem Restaurant in Winterhude, wo sie schnell etwas essen wollten.
Die Kantine des Präsidiums erfüllte für Eberhard den Tatbestand der
Körperverletzung, also hatte er seine Kollegen zu der kleinen Fahrt genötigt.
Volker fuhr normalerweise jede noch so weite Strecke mit einem seiner fünf
Fahrräder, doch wenn er zum Autofahren gezwungen war, stand für ihn außer
Frage, daß er am Steuer saß. Auf dem Beifahrersitz fühlte er sich unwohl, und
es war ihm egal, wie unwohl sich alle anderen fühlten, wenn er fuhr. So
unterkühlt und kontrolliert er sonst wirkte, so heißblütig wurde er hinterm
Steuer. Er beschleunigte, fuhr zu dicht auf, wechselte ständig die Fahrbahn,
hupte und schimpfte, bis Christian ihn genervt zur Ordnung rief.
Eberhard, der sich während der gesamten Fahrt krampfhaft am
Haltegriff festhielt, stimmte Volker zu: »Angst hatte er auf jeden Fall. Aber
ich bin nicht sicher, ob vor uns. Schätze, unser Freund Joe hat ihn besucht und
zur Falschaussage überredet. Mit Hilfe seines Skalpells.«
Christian sagte: »Sehe ich auch so. Die haben den in der Hand. Der
Herr Richter würde sicherlich ungern seine pädophilen Neigungen in der
Öffentlichkeit breitgetreten wissen. Ich verwette meine linke Hand an diesen
russischen Schlitzer, daß Gernhardt Kunde bei einem Kinderpornoring ist, in dem
Detering irgendwie mit drinhängt.«
»Stimmt, als Kinderficker ist es aus mit der Politik. Als bekennende
Schwulette kann er
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