Der Bestatter: Thriller (Christian Beyer-Reihe)
Beweis hätten, um Detering
endgültig festzunageln. Doch sie brauchten mehr belastendes Material, um die
Zweifel, die Blei an der definitiven Aussagekraft des gefundenen Haares säen
würde, zu widerlegen. Nicht einmal die Haus- und Bürodurchsuchung bei Detering
hatte etwas ergeben. In keinem einzigen seiner Computer gab es irgendeinen
Hinweis auf Mailkontakt mit Anna noch sonst etwas Verdächtiges. Christian hatte
die Flugtickets, ein Haar und einen Oberstaatsanwalt, der den Schwanz
einklemmte, weil er Angst hatte, Fehler zu machen. Detering hatte einen guten
Leumund, viel Geld und Einfluß, einen Richter als Alibi und das Prinzip ›im
Zweifel für den Angeklagten‹ auf seiner Seite. Christian war klar: Er brauchte
Anna.
Anna erschrak, als sie auf sein nachhaltiges Klingeln die
Tür öffnete. Christian war komplett durchnäßt, er fror, sah völlig übermüdet
aus und schien um Jahre gealtert. Sein Mund stumm, sein Gesicht ein Staudamm,
stand er vor ihr und sah sie fast feindselig an.
Sie nahm ihn mit nach oben, schickte ihn zuerst ins Badezimmer,
befahl ihm eine heiße Dusche, legte trockene Joggingklamotten und baumwollene
Socken raus und kochte einen Tee, während er versuchte, seine Lebensgeister
wieder zu wecken. Als er nach unten in die Wohnküche kam, mußte sie wider
Willen lachen. Die Jogginghose war erwartungsgemäß zu kurz, und die
Sockenfersen verschwanden irgendwo mittig unter seiner Fußsohle. Dennoch schien
Christian sich erheblich besser zu fühlen, und der Tee tat ihm sichtbar gut.
Langsam kehrte so etwas wie Farbe in sein Gesicht zurück. Anna sah ihm lächelnd
zu, wie er vorsichtig aus seinem dampfenden Glas schlürfte, betrachtete die
dunklen Haare auf seinen Unterarmen und schwieg. Sie trank keinen Tee, dennoch
stieg Wärme in ihr auf.
Nach etwa fünf Minuten wohliger Stille bedankte Christian sich für
die mütterliche Aufnahme. Anna lächelte, auch wenn sie alles andere als
mütterlich auf Christian zu wirken beabsichtigte. Mit dem Zeigefinger fuhr er
sanft über das Pflaster auf ihrer Stirn und betrachtete die Prellungen und
Schürfwunden an ihrem linken Unterarm. Sein wütender Widerstand gegen Anna und
seine Gefühle für sie war gebrochen. Besorgt fragte er: »Ein Zusammenstoß mit
deinem Vater?«
Anna lachte: »Mit einer Pappel. Mir geht’s gut, nur meinem Auto
nicht, das hat sich komplett um den Baum gewickelt.«
Erschrocken fragte Christian nach den Details des Unfalls, doch Anna
wiegelte ab. Ihr war die Unachtsamkeit, mit der sie ihren Saab zerlegt hatte,
peinlich. Außerdem war sie immer noch unschlüssig, ob sie ihm von ihrem Besuch
in Moordorf erzählen sollte.
Christian ließ sich von Annas Beteuerungen, bis auf die paar Kratzer
unverletzt zu sein, beruhigen und sah sich in ihrer Wohnküche um. Er
betrachtete das Gemälde eines Segelschiffes in tosendem Meer, die
Kräutertöpfchen neben dem Herd, die um die Kochplatten aufgereihten
Kochutensilien, die Topfhandschuhe und die neben dem altmodischen Spülstein
aufgehängte karierte Schürze.
»Kochst du gern?«
»Ja. Aber sehr selten. Ich brauche einen Anlaß. Ich selbst bin mir
selten Anlaß genug.«
»Ich esse gerne. Aber sehr selten. Ich vergesse es zu oft«,
erwiderte Christian ernst und sah ihr dabei in die Augen.
»Soll ich uns Rühreier machen? Mit Schinken? Oder Käse?«
Christian lächelte: »Ja. Bitte. Mit allem. Und mit Kräutern.«
Anna band sich die Schürze um und begann zu hantieren. Unterdessen
begann Christian, sie auf den neuesten Stand der Ermittlungen zu bringen.
Nach dem Essen gestand sie, daß sie ihm etwas mitzuteilen habe. Es
sei sicher ein Fehler gewesen, und Pete habe ihr auch davon abgeraten, es ihm
zu erzählen, aber … Bei Petes Erwähnung verschloß sich Christians Gesicht.
»Ich habe mich nicht privat mit ihm getroffen«, meinte Anna leise.
»Ich wollte eigentlich mit dir sprechen, aber du warst beim Staatsanwalt.«
»Worum ging es denn?« fragte Christian knapp. Er verspürte keinerlei
Lust auf das Thema Pete.
Anna bedauerte, daß die vertraute Stimmung, die eben noch zwischen
ihnen geherrscht hatte, nun wieder Christians distanziertem Ton gewichen war.
Sie holte das Tonband, die Abschrift ihres Gesprächs mit den Petzolds und einen
Ausdruck der letzten Mail von Carlos Dante. Zu ihrer Überraschung tadelte er
sie mit keinem Wort, fragte aber, woher sie von Deterings Kindheit in Moordorf
wußte. Verlegen gab Anna zu, sich dieses Detail aus Deterings Akte gemerkt zu haben,
die
Weitere Kostenlose Bücher