Der Bestseller
Stimme.
»Auch das tut mir leid.« Schweigen. War ich schon wieder in irgendein Fettnäpfchen getreten? Dieses Gespräch lief gar nicht gut.
Doch ich ließ mich nicht entmutigen. »Ich versuche, mit allen Personen zu sprechen, die etwas über den Mord an Parker Foxcroft wissen könnten, und der Name Ihres Mannes war in seiner Adressenkartei, und da dachte ich...«
»Wozu die Mühe, Mr. Barlow? Warum überlassen Sie das nicht der Polizei?«
Ich begann zu hyperventilieren und schaltete einen Gang höher. »Ich habe das Gefühl, Mrs. Michaelson, daß Parker Foxcroft Ihnen und Ihrem Mann vielleicht ein Unrecht zugefügt hat...«
»So könnte man es ausdrücken.« Das klang vielversprechend!
»...und der Verlag würde dieses Unrecht gerne wiedergutmachen und Sie irgendwie entschädigen.«
»Können Sie die Toten auferwecken, Mr. Barlow?«
»Wie bitte?«
»Können Sie mir meinen Mann zurückgeben?«
Ich hatte nicht den Eindruck, daß sie eine Antwort auf ihre Frage erwartete. Das Schweigen, das nun eintrat, war wie das Schweigen einer Gruft.
Schließlich sagte sie: »Es tut mir leid, Mr. Barlow. Sie wissen vielleicht nicht, wie Foxcroft meinen Mann behandelt hat...«
»Nein, das weiß ich nicht. Aber ich würde es gerne erfahren.«
»Tja...« Endlich hatte ich das Gefühl, zu ihr durchgedrungen zu sein. Ich hatte sie. Oder vielmehr: Das Geschäft st and kurz vor dem Abschluß. So etwas in der Art.
»Darf ich Sie aufsuchen, Mrs. Michaelson? Ich verspreche, daß ich nicht sehr viel von Ihrer Zeit beanspruchen werde.«
»Zeit?« Sie seufzte. Es war einer jener leisen Seufzer, aus denen die Qualen der Seele sprechen. »Davon habe ich mehr als genug, Mr. Barlow. Ja, Sie sind willkommen.«
»Heute nachmittag? Sagen wir um vier?«
»Warum nicht? Ich gebe Ihnen meine Adresse.«
Fast hätte ich ihr gesagt, das sei nicht nötig, doch ich hielt es für besser, das nicht zu tun. Diese Dame durfte nie erfahren, daß der große Barlow sie verfolgt hatte wie ein dahergelaufener Schnüffler.
Als ich gegen vier Uhr vor Mrs. Michaelsons Apartment stand, hatte sie Tee gekocht und eine Platte mit etwas vorbereitet, das wie winzige Gurkensandwiches aussah.
»Oder möchten Sie lieber einen Drink, Mr. Barlow? Vielleicht einen Sherry?«
Ich winkte ab. »Ich trinke gerne Tee.«
Judith Michaelson war, schätzte ich, Anfang Vierzig, also ungefähr in meinem Alter, sah jedoch mindestens zehn Jahre älter aus. Ihr Gesicht war sehr blaß, und unter den Augen hatte sie dunkle Ringe, aber die Substanz, wie man so sagt, war gut, und ihr Haar saß perfekt und war zu einer Frisur gekämmt, die man früher »Pagenschnitt« nannte. Sie trug einen seidenen Hausanzug mit einem Blumenmuster in Grün und Kastanienrot. Alles in allem eine gutaussehende Frau.
»Entschuldigen Sie, daß ich am Telefon so unfreundlich war, Mr. Barlow.«
Wieder winkte ich ab. »Ich kann Ihnen nicht verübeln, daß Sie mißtrauisch sind.«
»Es ist nicht so, daß ich... Es geht mir nicht besonders nahe, daß Foxcroft ermordet worden ist. Eigentlich finde ich, daß man demjenigen, der es getan hat, danken sollte. Das klingt sicher grausam, aber...«
»Es gibt viele, die so denken wie Sie, Mrs. Michaelson. Und wie Sie den Nachrufen entnehmen können, gibt es andere, die anderer Meinung sind.«
»Ha«, murmelte sie. Nur »ha«.
»Wenn meine Frage nicht zu aufdringlich ist, Mrs. Michaelson: Warum haben Sie... ich meine, warum hassen Sie Mr. Foxcroft so sehr?«
»Das will ich Ihnen gerne sagen.« Sie beugte sich vor und schenkte mir Tee nach. Ich lächelte tapfer. Tee ist ganz und gar nicht mein Fall. »Mein Mann war Schriftsteller, Mr. Barlow. Ein sehr guter Schriftsteller.« Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie unangenehme Gedanken vertreiben oder aber Erinnerungen wachrütteln. Ich sah auch, daß sie mit den Tränen kämpfte.
»Das war er bestimmt, Mrs. Michaelson.« Angesichts der Tatsache, daß ich keine Ahnung hatte, was für ein Schriftsteller ihr Mann gewesen war, war das eine weitere kleine, unter den Umständen jedoch entschuldbare Lüge. »Fahren Sie fort.«
»Ich schreibe ebenfalls, Mr. Barlow — unter dem Namen Judith Simon Michaelson.«
»Ich fürchte, ich kenne Ihre Werke nicht.«
Sie gab sich redliche Mühe zu lächeln. »Das brauchen Sie auch nicht. Ich schreibe romantische Kurzgeschichten für die Art von Zeitschriften, die Frauen beim Friseur lesen.«
»Oh.«
»Mein Mann dagegen war ein Schriftsteller mit literarischen Ambitionen.
Weitere Kostenlose Bücher