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Der Besuch der alten Dame

Der Besuch der alten Dame

Titel: Der Besuch der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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ein nachdenkliches Gesicht, sehen Sie, so; und Sie, Herr Ill, neigen sich über den Ladentisch, reden dem Metzger zu. Bitte. Er arrangiert die Stellung. Natürlicher, meine Herren, ungezwungener.
    Die Pressemänner knipsen.

    PRESSEMANN II Darf ich bitten, den Arm um die Schulter der Gemahlin zu legen. Der Sohn links, die Tochter rechts. Und nun bitte, strahlen vor Glück, strahlen, strahlen, zufrieden, innerlich, stillvergnügt strahlen.
    PRESSEMANN I Großartig gestrahlt.
    PRESSEMANN II Gestorben.

    Von links vorne rennen einige Photographen nach hinten links über die Bühne. Einer ruft in den Laden hinein.

    DER PHOTOGRAPH Die Zachanassian hat einen Neuen. Gehen im Konradsweilerwald spazieren.
    PRESSEMANN II Einen Neuen!
    PRESSEMANN I Das gibt ein Titelbild für >Life<.

    38
    Die beiden Pressemänner rennen aus dem Laden. Schweigen. Der Erste hält noch immer das Beil in der Hand.

    DER ERSTE erleichtert Glück gehabt.
    DER MALER Du mußt entschuldigen, Schulmeister. Wenn wir die Angelegenheit noch gütlich beilegen wollen, darf die Presse nichts erfahren. Kapiert?

    Er geht hinaus. Der Zweite folgt ihm, bleibt aber noch vor Ill stehen, bevor er hinausgeht.

    DER ZWEITE Klug, äußerst klug, keinen Unsinn zu schwatzen.
    DER DRITTE Einem Halunken wie dir würde man ja auch kein Wort glauben. Er geht.

    Der Vierte spuckt aus, geht ebenfalls.

    PRESSEMANN I Schön, sehr schön.
    DER ERSTE Nun kommen wir noch in die Illustrierten, Ill.
    ILL Eben.
    DER ERSTE Werden berühmt.
    ILL Sozusagen.
    DER ERSTE Eine Partagas.
    ILL Bitte.
    DER ERSTE Schreiben's auf.
    ILL Selbstverständlich.
    DER ERSTE Offen gesagt: Was Sie Klärchen angetan haben, tut nur ein Schuft. Er will gehen.
    ILL Das Beil, Hofbauer.

    Der Erste zögert, gibt ihm dann das Beil zurück, geht ab. Im Laden Schweigen. Der Lehrer sitzt immer noch auf seinem Faß.

    DER LEHRER Sie müssen entschuldigen. Ich habe einige Steinhäger probiert, so zwei oder drei.
    ILL In Ordnung.
    Die Familie geht nach rechts hinaus.

    DER LEHRER Ich wollte Ihnen helfen. Aber man schlug mich nieder, und auch Sie wollten es nicht. Ach, Ill. Was sind wir für Menschen. Die schändliche Milliarde brennt in unseren Herzen. Reißen Sie sich zusammen, kämpfen Sie um Ihr Leben, setzen Sie sich mit der Presse in Verbindung, Sie haben keine Zeit mehr zu verlieren.
    ILL Ich kämpfe nicht mehr.
    DER LEHRER verwundert Sagen Sie mal, Sie haben wohl ganz den Verstand verloren vor Angst?
    ILL Ich sah ein, daß ich kein Recht mehr habe.
    DER LEHRER Kein Recht? Gegenüber dieser verfluchten alten Dame, dieser Erzhure, die ihre Männer wechselt vor unseren Augen, schamlos, die unsere Seelen einsammelt?
    ILL Ich bin schließlich schuld daran.
    DER LEHRER Schuld?
    ILL Ich habe Klara zu dem gemacht, was sie ist, und mich zu dem, was ich bin, ein verschmierter windiger Krämer. Was soll ich tun, Lehrer von Güllen? Den Unschuldigen spielen? Alles ist meine Tat, die Eunuchen, der Butler, der Sarg, die Milliarde. Ich kann mir nicht mehr helfen und auch euch nicht mehr.
    Der Lehrer steht auf, mühsam, schwankend.

    DER LEHRER Bin nüchtern. Auf einmal. Er geht schwankend auf Ill zu. Sie haben recht. Vollkommen. Sie sind schuld an allem. Und nun will ich Ihnen etwas sagen, Alfred Ill, etwas Grundsätzliches. Er bleibt kerzengerade vor Ill stehen, nur noch leicht schwankend. Man wird Sie töten. Ich weiß es, von Anfang an, und auch Sie wissen es schon lange, auch wenn es in Güllen sonst niemand wahrhaben will. Die Versuchung ist zu groß und unsere Armut zu bitter. Aber ich weiß noch mehr. Auch ich werde mitmachen. Ich fühle, wie ich langsam zu einem Mörder werde. Mein Glaube an die
    Humanität ist machtlos. Und weil ich es weiß, bin ich ein Säufer geworden. Ich fürchte mich, Ill, so wie Sie sich gefürchtet haben. Noch weiß ich, daß auch zu uns einmal eine alte Dame kommen wird, 39
    eines Tages, und daß dann mit uns geschehen wird, was nun mit Ihnen geschieht, doch bald, in wenigen Stunden vielleicht, werde ich es nicht mehr wissen. Schweigen. Noch eine Flasche Steinhäger.
    Ill stellt ihm eine Flasche hin, der Lehrer zögert, dann nimmt er die Flasche entschlossen zu sich.

    DER LEHRER Schreiben Sie sie auf. Er geht langsam hinaus.

    Die Familie kommt wieder. Ill schaut sich wie träumend im Laden um.

    ILL Alles neu. Modern wie dies jetzt bei uns aussieht. Sauber, appetitlich. So ein Laden war immer mein Traum. Er nimmt seiner Tochter den Tennisschläger aus der Hand. Du spielst Tennis?
    DIE

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