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Der Besuch der alten Dame

Der Besuch der alten Dame

Titel: Der Besuch der alten Dame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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hinaus.

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    ILL schaut sich wie träumend im Laden um Alles neu. Modern wie dies jetzt bei uns aussieht. Sauber, appetitlich.
    So ein Laden war immer mein Traum. Wo sind die Kinder?
    FRAU ILL Auf dem Tennisplatz.
    ILL Geh sie doch holen. Ich möchte euch heute abend alle bei mir haben.

    Frau Ill geht nach links hinaus, der Lehrer sitzt immer noch da.

    DER LEHRER Sie müssen entschuldigen. Ich habe einige Steinhäger probiert, so zwei oder drei.
    ILL In Ordnung.
    DER LEHRER Ach, Ill, was sind wir für Menschen. Sie hätten fliehen müssen, damals, am Bahnhof. Wir hätten Sie gehen lassen, noch waren wir zur Tat nicht fähig. Aber jetzt? Die schändliche Milliarde brennt in unsern Herzen.
    Ich fühle, wie ich langsam zum Mörder werde. Noch vor wenigen Minuten habe ich alles den Journalisten anzeigen wollen, doch nun habe ich die Kraft nicht mehr. Mein Glaube an die Humanität ist machtlos. Schenkt sich ein und trinkt. Reißen Sie sich zusammen, Ill, kämpfen Sie um Ihr Leben. Sie haben keine Zeit mehr zu verlieren.
    ILL Ich kämpfe nicht mehr.

    Der Lehrer schenkt sich wieder ein und trinkt.

    DER LEHRER Sie müssen kämpfen, Ill, sonst sind Sie verloren. Und auch wir.
    ILL Ich sah ein, daß ich kein Recht mehr habe. Ich kann von euch nicht verlangen, was ich einmal auch nicht getan habe.
    DER LEHRER Kein Recht? Gegenüber dieser verfluchten alten Dame, gegenüber dieser unanständigen Parodie der Gerechtigkeit, dieser Erzhure, die ihre Männer wechselt, vor unseren Augen, schamlos, die unsere Seelen einsammelt?
    ILL Ich bin schließlich schuld daran.
    DER LEHRER Schuld?
    ILL Ich habe Klara zu dem gemacht, was sie ist, und mich zu dem, was ich bin, ein verschmierter, windiger Krämer.
    Was soll ich tun, Lehrer von Güllen? Den Unschuldigen spielen? Alles ist meine Tat, die Eunuchen, der Butler, der Sarg, die Milliarde. Ich kann mir nicht mehr helfen und euch auch nicht mehr.
    DER LEHRER Bin nüchtern. Auf einmal. Geht schwankend auf Ill zu. Sie haben recht. Vollkommen. Sie sind schuld an allem. Und nun will ich Ihnen etwas sagen, Alfred Ill, etwas Grundsätzliches. Er bleibt kerzengerade vor Ill stehen. Sie sind ein Schuft, Ill, nichts weiter. Und nun geben Sie mir noch eine Flasche Steinhäger.

    Ill stellt ihm eine Flasche hin. Der Lehrer nimmt die Flasche zu sich.

    DER LEHRER Schreiben Sie sie auf.

    Geht langsam hinaus. Die Familie kommt. Die Tochter im Tenniskostüm.

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