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Der Besuch

Der Besuch

Titel: Der Besuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H.G. Wells
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Horrocks, „aber es gibt Ärger wegen dem verkrüppelten Herrn, der sich hier bei Ihnen aufhält.“
    „Verdammt!“ sagte der Vikar. „Das ist doch nicht Ihr Ernst!“
    „Sir John Gotch, Sir. Er ist tatsächlich sehr aufgebracht, Sir. Seine Worte, Sir – aber ich fühle mich verpflichtet, es Ihnen mitzuteilen, Sir. Er ist sicher entschlossen, eine gerichtliche Vorladung wegen des Stacheldrahts da zu erwirken. Fest entschlossen, Sir, fest.“
    „Sir John Gotch!“ sagte der Vikar. „Draht! Ich verstehe nicht.“
    „Ich soll herausfinden, wer es getan hat. Natürlich habe ich meine Pflicht erfüllen müssen, Sir. Sicher war es eine unangenehme.“
    „Stacheldraht! Pflicht! Ich verstehe Sie nicht, Horrocks.“
    „Ich fürchte, Sir, es hat keinen Sinn, den Tatbestand zu leugnen. Ich habe sorgfältige Nachforschungen angestellt, Sir.“ Und sogleich begann der Polizist, dem Vikar von einer neuen und schrecklichen Verfehlung zu erzählen, die der Besucher aus dem Land der Engel begangen hatte.
    Aber wir brauchen dieser Erklärung nicht in allen Einzelheiten zu folgen – auch nicht dem folgenden Geständnis. (Was mich betrifft, so halte ich nichts fur ermüdender und langweiliger als Dialoge.) Es zeigte dem Vikar eine neue Seite des Charakters des Engels, die Fähigkeit zur Entrüstung. Ein schattiger Weg, die Sonne bricht an einigen Stellen durch, zu beiden Seiten liebliche Hecken, voll mit Geißblatt und Wicke, und ein kleines Mädchen, das Blumen pflückt und auf den Stacheldraht vergißt, der entlang der Sidderford Road die Erlauchtheit des Sir John Gotch vor „Proleten“ und dem verabscheuten „Mob“ schützt. Dann plötzlich eine verletzte Hand, ein Schmerzensschrei, und der Engel – mitfühlend, tröstend, wißbegierig. Erklärungen unter Schluchzen, und dann – ein völlig neues Phänomen in der Laufbahn des Engels – Zorn. Ein wütender Angriff auf Sir John Gotchs Stacheldraht, der Stacheldraht wird grob behandelt, gezerrt, verbogen und abgebrochen. Dennoch handelte der Engel eigentlich ohne böswillige Absicht – sah in dem Ding nur eine häßliche und gefährliche Pflanze, die heimtückisch zwischen den Artgenossen wucherte. Schließlich zeigten die Erklärungen dem Vikar das Bild des Engels, wie er allein inmitten der von ihm angerichteten Zerstörung stand, bebend und von der plötzlichen Kraft in Staunen versetzt, die ihm fremd war, ihn plötzlich erfaßt hatte und ihn zwang, zu schlagen und zu zerstören. In Staunen versetzt auch von dem roten Blut, das von seinen Fingern tropfte.
    „Dann ist es noch entsetzlicher“, sagte der Engel, als ihm der Vikar die künstliche Beschaffenheit des Dinges erklärte. „Wenn ich den Mann gesehen hätte, der dieses dumme, grausame Zeug dort angebracht hat, um kleine Kinder zu verletzen, hätte ich bestimmt versucht, ihm Schmerz zuzufügen. Ich habe so etwas nie zuvor in mir gespürt. Ich werde tatsächlich von der Bosheit dieser Welt angesteckt, sie färbt auf mich ab.
    Und sich vorzustellen, daß ihr Menschen so dumm sein solltet, Gesetze zu billigen, die jemandem gehässige Dinge gestatten! Ja – ich weiß; du wirst sagen, das muß so sein. Aus irgendeinem abwegigen Grund. Das verärgert mich nur noch mehr. Warum kann ein Gesetz nicht auf seinem Wert beruhen? ... Wie es im Land der Engel üblich ist.“

    Das war das Ereignis, dessen Hergang der Vikar jetzt allmählich erfuhr, wobei ihm Horrocks die dürren Fakten lieferte und anschließend der Engel Farbe und Empfindung. Das Ganze hatte sich am Tag vor dem Musikfest in Haus Siddermorton zugetragen.
    „Haben Sie Sir John gesagt, wer es getan hat?“ fragte der Vikar. „Sind Sie sich sicher?“
    „Vollkommen sicher, Sir. Es kann keinen Zweifel geben, daß es dieser Herr war, Sir. Ich habe es Sir John noch nicht gesagt, Sir. Aber ich werde es Sir John heute abend sagen müssen.
    Das geht nicht gegen Sie, Sir, wie Sie, so hoffe ich, verstehen werden. Es ist meine Pflicht, Sir.
    Außerdem ...“
    „Natürlich“, sagte der Vikar hastig. „Ganz sicher ist das Ihre Pflicht. Und was wird Sir John tun?“
    „Er ist schrecklich aufgebracht über die Person, die es gewagt hat – Eigentum auf diese Weise zu zerstören – und seinen Anordnungen, sozusagen, einen Schlag ins Gesicht zu versetzen.“
    Pause. Horrocks machte eine Bewegung. Der Vikar, die Krawatte inzwischen fast im Nacken, was bei ihm recht ungewöhnlich war, starrte mit leerem Blick auf die Schuhspitzen.

    „Ich hielt es für besser, es

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