Der Besucher - Roman
Triumphes an mich und küsste sie, nicht auf den Mund, aber auf Hals, Wangen und Haare. Sie kicherte nervös.
»Nicht doch«, sagte sie, halb spielerisch, halb ernsthaft abwehrend. »Nicht doch!«
10
D ie folgenden drei oder vier Wochen betrachte ich im Nachhinein gewissermaßen als »Zeit der Brautwerbung«, obwohl Carolines und meine Begegnungen in Wahrheit weder regelmäßig noch unkompliziert genug waren, um diesen Namen wirklich zu verdienen. Zum einen war ich immer noch sehr beschäftigt mit meiner Arbeit, und daher reichte es meist nur für ein kurzes Treffen. Zum anderen erwies sie sich überraschend zimperlich darin, ihre Mutter über unsere veränderte Beziehung zu informieren. Ich war ungeduldig, die Dinge weiterzutreiben, und drängte darauf, unsere Beziehung endlich öffentlich kundzutun. Doch sie meinte, ihrer Mutter ginge es »noch nicht gut genug«, und die Neuigkeiten würden bloß dazu führen, dass sie »sich Sorgen machte«. Sie würde es ihr schon sagen, so versicherte sie mir, wenn der »rechte Moment« gekommen sei. Doch dieser Moment schien gar nicht näher zu kommen, und wenn ich in jenen Wochen das Herrenhaus aufsuchte, fand ich mich am Ende stets mit beiden Frauen im kleinen Salon wieder, bei Tee und belanglosen Plaudereien – ganz so, als hätte sich überhaupt nichts geändert.
Aber natürlich hatte sich alles verändert, und daher waren diese Besuche aus meiner Sicht manchmal nur schwer zu ertragen. Caroline ging mir jetzt ständig im Kopf herum. Wenn ich ihr ausdrucksstarkes, kantiges Gesicht betrachtete, konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass ich es mal hässlich gefunden hatte. Und wenn sich unsere Blicke über den Teetassen begegneten, fühlte ich mich wie Zunder, der bei der geringsten Reibung in Flammen aufgehen könnte. Manchmal begleitete sie mich noch zu meinem Auto, nachdem ich mich verabschiedet hatte. Wenn wir dann schweigend durchs Haus gingen und einen düsteren Raum nach dem anderen passierten, kam mir manchmal der Gedanke, sie in eines der leer stehenden Zimmer zu ziehen und sie in die Arme zu nehmen. Ab und zu versuchte ich es auch, doch sie schien sich dabei niemals ganz wohl zu fühlen. Sie stand dann dicht an meinem Körper, hatte jedoch den Kopf abgewandt, und die Arme hingen ihr schlaff herunter. Ich spürte zwar, wie sich ihre Glieder erwärmten und nachgiebiger wurden, doch das geschah nur sehr langsam und beinahe widerwillig, so als ob sie sich ihr eigenes Nachgeben übel nahm. Und wenn ich dann in meiner Enttäuschung gelegentlich versuchte, noch weiter zu gehen, war das Ergebnis katastrophal: Ihr Körper versteifte sich wieder, und sie schlug die Hände vors Gesicht. »Tut mir leid«, sagte sie dann, genau wie bei jener ernüchternden Begegnung in meinem Auto. »Es tut mir leid. Das ist nicht schön von mir, ich weiß. Ich brauche einfach ein bisschen Zeit.«
Also lernte ich, nicht zu viel von ihr zu verlangen, aus Angst, ich könnte sie ganz verschrecken. Ich hatte das Gefühl, sie war mit den Angelegenheiten von Hundreds so überlastet, dass unsere Verlobung für sie lediglich eine weitere Mühsal bedeutete; vermutlich wollte sie erst abwarten, bis sich die Lage im Herrenhaus entspannte, ehe sie sich gestattete, die weitere Zukunft zu planen.
Zu diesem Zeitpunkt schien eine echte Verbesserung in greifbarer Nähe zu sein. Die Arbeit an den Neubauten schritt weiter voran, die Verlängerung der Wasser- und Stromleitungen zum Park war im Gange; offenbar lief es auch auf dem Hof deutlich besser, und Makins freute sich über die vielen Veränderungen. Auch Mrs. Ayres wirkte trotz Carolines Befürchtungen so gesund und zufrieden wie seit Monaten nicht. Wenn ich im Herrenhaus vorbeikam, fand ich sie stets sorgfältig gekleidet mit einem Hauch Rouge und Puder im Gesicht; wie üblich war sie sogar sehr viel besser zurechtgemacht als ihre Tochter, die trotz der Veränderung in unserer Beziehung nach wie vor ihre formlosen alten Pullover und Röcke trug, in Kombination mit groben Wollmützen und soliden Schuhen. Doch da das Wetter winterlich kalt blieb, sah ich ihr ihren Kleidungsstil nach. Sobald es Frühling würde, hatte ich vor, mit ihr nach Leamington zu fahren und sie in aller Ruhe mit ein paar hübschen, angemessenen Kleidern auszustatten. Immer häufiger sehnte ich den Sommer herbei: Die Türen und Fenster des Herrenhauses würden offen stehen, und Caroline würde kurzärmlige, luftige Blusen tragen; ihre langen Glieder
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