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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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und so trafen sie nur auf Mrs. Ayres. Sie kam gerade aus dem kleinen Salon, wo sie in aller Ruhe gelesen hatte, und schloss aus dem heftigen, unkontrollierten Verhalten der beiden Frauen, dass wieder eine neue Katastrophe geschehen war – womöglich gar wieder ein Feuer ausgebrochen war. Von dem pfeifenden Sprachrohr wusste sie noch nichts, und als sie sich schließlich aus dem verwirrenden Gestammel der beiden Frauen die Geschichte mit dem herabfallenden Geschirrtuch und dem herausspringenden Korken zusammengereimt hatte, war ihre Verblüffung groß.
    »Aber was hat Sie denn bloß so sehr erschreckt?«, fragte sie die beiden.
    Das konnten die Frauen selbst gar nicht sagen. Mrs . Ayres begriff nur, dass die beiden stark aufgewühlt waren, und willigte daher ein, sich die Sache selbst anzuschauen, auch wenn ihr die ganze Angelegenheit nicht besonders beunruhigend erschien. Bloß wieder ein neues Ärgernis, wie sie sagte, aber schließlich war das Haus gegenwärtig voller Missstände.
    Sie folgten ihr bis zur Küchenschwelle, aber weiter getrauten sie sich nicht. Während Mrs. Ayres hineinging, blieben die beiden Bediensteten an der Tür stehen, klammerten sich am Türrahmen fest und sahen bestürzt zu, wie sie gedankenverloren das reglose Geschirrtuch, den Korken und das Rohr betrachtete; und als sie sich dann sorgsam die grauen Wellen ihres Haares hinter die Ohren schob und den Kopf zu der Muschel hinabsenken wollte, streckten sie die Arme aus und riefen: »Oh, Madam! Seien Sie bloß vorsichtig! Oh, Madam, nehmen Sie sich bitte in Acht!«
    Mrs. Ayres zögerte einen Augenblick; wahrscheinlich war sie genauso überrascht von der aufrichtigen Angst, die aus ihren Stimmen klang, wie ich es ein paar Tage zuvor gewesen war. Dann legte sie vorsichtig ihr Ohr an die Muschel und lauschte. Als sie sich wieder aufrichtete, war ihre Miene beinahe entschuldigend.
    »Ich fürchte, ich weiß nicht, was ich da eigentlich hören sollte. Da scheint nichts zu sein.«
    »Ja – jetzt is da vielleicht nix!«, erwiderte Mrs. Bazeley. »Aber es wird bald wieder da sein. Es is da drin und wartet!«
    »Es wartet? Aber wie meinen Sie denn das? Sie reden ja, als sei da eine Art Flaschengeist! Wie sollte denn da etwas sein? Das Rohr führt direkt in die Kinderzimmer hinauf …«
    Und hier geriet Mrs. Ayres ins Stocken und ihr Gesichtsaudruck veränderte sich, wie mir Mrs. Bazeley später erzählte. Langsam sagte sie: »Diese Zimmer sind verschlossen. Sie sind schon seit Jahren verschlossen, seit die Soldaten nicht mehr da sind!«
    Nun rief Betty entsetzt: »Ach, Madam, Sie glauben doch nich … Sie glauben doch nich, dass da oben jemand eingestiegen is … und dass der jetzt immer noch da oben is …?«
    »Gütiger Himmel!«, schrie Mrs. Bazeley. »Das Mädchen hat recht! Wo die Zimmer oben doch alle zu sind und dunkel – wir wissen doch gar nich, was da oben los is! Alles Mögliche könnt da sein! Ach, rufen Sie doch Dr. Faraday an, dass er mal oben nachschauen soll! Oder Betty läuft los und holt Makins oder Mr. Babb!«
    »Makins oder Babb?«, erwiderte Mrs. Ayres, die allmählich wieder zu sich kam. »Nein, die werde ich ganz bestimmt nicht rufen! Miss Caroline ist bald wieder zurück, und was die dazu sagen wird, kann ich mir schon vorstellen. Wenn Sie jetzt bitte einfach mit Ihrer Arbeit weitermachen würden …«
    »Wir können uns nich auf die Hausarbeit konzentrieren, Madam, wenn da so’n schreckliches Ding is, was uns beobachtet!«
    »Sie beobachtet? Gerade noch hatte es bloß Ohren!«
    »Na, egal, was es hat! Es is nich normal. Es is nich nett. Ach, dann lassen Sie doch bitte wenigstens Miss Caroline raufgehen, wenn sie wieder da is. Sie soll mal nach ’m Rechten schaun! Miss Caroline hat für so ’n Unsinn nix übrig!«
    Aber genau wie Caroline vor einer Woche hatte verhindern wollen, dass ihre Mutter in die Angelegenheit hineingezogen wurde, kam es Mrs. Ayres nun in den Sinn, dass sie die Sache besser selbst erledigte, bevor ihre Tochter zurückkam. Ob sie dabei noch irgendein anderes Motiv hatte, weiß ich nicht. Ich halte es jedoch für wahrscheinlich, dass sie sich beinahe genötigt fühlte, ihre vage Ahnung – jenes dünne Fädchen, das ihrer Vorstellung erschienen war – auch weiter zu verfolgen. Wie auch immer, jedenfalls erklärte sie zu Mrs. Bazeleys und Bettys Entsetzen, dass sie weiteren Spekulationen ein Ende bereiten wolle, indem sie hinaufgehen und die leeren Zimmer höchstpersönlich untersuchen würde.
    Also

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