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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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stattdessen vor den Mund und gähnte mehrmals herzhaft, bis ihr das Wasser in die Augen trat.
    Dann wischte sie sich das Gesicht ab und rückte dichter an den Kamin.
    »Mein Gott«, sagte sie und starrte ins Feuer. »Der Tag heute war wie ein Alptraum. Aber es war kein Traum. Oder? Meine Mutter ist tot. Tot und begraben, und von nun an wird sie für immer tot und begraben sein. Ich kann das gar nicht glauben. Es kommt mir so vor, als wäre sie immer noch im oberen Stockwerk und würde sich dort ausruhen. Und als ich vorhin gedöst habe, war es mir beinahe so, als ob Roddie hier in diesem Zimmer wäre und Gyp neben meinem Sessel gelegen hätte …« Sie blickte mich verwirrt an. »Wie konnte das bloß alles geschehen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß es auch nicht. Ich wünschte, ich wüsste es.«
    »Heute habe ich gehört, wie eine Frau gesagt hat, es müsse wohl ein Fluch auf diesem Haus liegen.«
    »Wer hat das gesagt? Wer war das?«
    »Ich kannte sie gar nicht. Sie muss neu hierhergezogen sein. Es war auf dem Friedhof. Ich habe gehört, wie sie es zu jemand anderem sagte. Und mich hat sie angeschaut, als sei ich ebenfalls verflucht. Als wäre ich Draculas Tochter …« Sie gähnte noch einmal. »Ach, warum bin ich bloß so müde? Ich möchte am liebsten nur noch schlafen!«
    »Das ist wahrscheinlich auch das Beste, was du im Moment tun kannst. Ich wünschte bloß, dass du hier nicht so allein wärst.«
    Sie rieb sich die Augen. »Du klingst genau wie Tante Cissie. Betty wird sich schon um mich kümmern.«
    »Betty ist auch völlig erschöpft. Am besten bringe ich dich zu Bett.« Als ich ihren seltsamen Blick bemerkte, fügte ich rasch hinzu: »Nicht was du denkst! Wofür hältst du mich denn eigentlich? Du vergisst wohl, dass ich Arzt bin. Ich bringe ständig junge Frauen zu Bett!«
    »Aber ich bin doch gar nicht deine Patientin, oder? Du musst nach Hause fahren.«
    »Ich möchte dich aber nicht allein hierlassen.«
    »Vergiss nicht: Ich bin Draculas Tochter! Mir wird schon nichts passieren.«
    Sie erhob sich unsicher, fast schwankend, und ich hielt sie an den Schultern fest, um sie zu stützen, dann strich ich ihr das braune Haar aus der Stirn und nahm ihr Gesicht in die Hände. Sie schloss die Augen. Wie so oft, wenn sie müde war, wirkten ihre Lider nackt, feucht, geschwollen. Ich küsste sie sanft darauf. Ihre Arme hingen so schlaff herab wie bei einer Gliederpuppe. Sie schlug die Augen wieder auf und sagte, etwas energischer als zuvor: »Du musst nach Hause fahren … Aber danke. Für alles, was du getan hast. Du warst heute so gut zu uns.« Sie korrigierte sich. »So gut zu mir, meine ich.«
    Ich suchte Mantel und Hut zusammen, nahm sie bei der Hand, und gemeinsam gingen wir in die Eingangshalle. Dort war es kühl, und ich sah, wie sie zitterte. Ich wollte sie nicht noch länger in der Kälte stehen lassen, doch als wir uns geküsst hatten und wieder auseinandergingen und sie ihre Hand aus meiner zog, blickte ich über ihre Schulter zur Treppe hin und dachte an die dunklen, leeren Räume dort oben. Die Vorstellung, dass sie nach dem Tag, den sie gerade erlebt hatte, allein dort hochgehen würde, war schrecklich.
    Ich nahm sie fester bei der Hand und zog sie zurück.
    »Caroline«, sagte ich.
    Sie folgte träge meinem Griff und protestierte: »Bitte, ich bin so schrecklich müde!«
    Ich zog sie an mich und flüsterte ihr ins Ohr: »Sag mir nur eins. Wann werden wir heiraten?«
    Ich spürte ihr Gesicht an meinem. »Ich muss schlafen gehen.«
    »Wann, Caroline?«
    »Bald.«
    »Ich möchte hier bei dir sein.«
    »Ich weiß. Das weiß ich doch.«
    »Ich bin doch geduldig gewesen, oder?«
    »Ja. Aber jetzt noch nicht. Nicht so bald, nachdem Mutter …«
    »Nein, nein … Aber in einem Monat vielleicht?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wir können uns morgen weiter darüber unterhalten.«
    »Ein Monat wird wohl reichen, denke ich, um das Aufgebot zu bestellen und alles vorzubereiten. Aber ich muss das organisieren, verstehst du? Wenn wir einfach einen Termin festlegen könnten …«
    »Aber es gibt noch so vieles, was wir besprechen müssen.«
    »Aber die wichtigsten Dinge sind doch klar. Wollen wir sagen, in einem Monat? Oder spätestens in sechs Wochen? In sechs Wochen, von heute an?«
    Sie zögerte und kämpfte gegen ihre Erschöpfung an. Dann sagte sie »Ja« und machte sich los. »Ja, wenn du willst. Aber lass mich jetzt zu Bett gehen. Ich bin so schrecklich müde!«
     
    Es wirkt wahrscheinlich komisch,

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