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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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sich frei, und ihre Stimme verhärtete sich. »Hör auf, so etwas zu sagen! Das sagst du ständig zu mir. Manchmal … Manchmal glaube ich fast, dass du mich am liebsten in ständiger Müdigkeit halten möchtest – dass es dir gefällt , wenn ich müde bin!«
    Ich starrte sie entsetzt an. »Wie kannst du so etwas sagen? Ich will doch, dass es dir gut geht. Ich will, dass du glücklich bist.«
    »Aber merkst du es denn gar nicht? Das werde ich nicht sein, wenn ich dich heirate!«
    Ich muss zusammengezuckt sein. Ihr Ausdruck wurde wieder freundlicher. »Es tut mir leid, aber es ist wahr«, sagte sie. »Ich wünschte, es wäre nicht so. Ich will deine Gefühle nicht verletzen. Dafür habe ich dich zu gern. Aber ich denke, dir ist es auch lieber, wenn ich jetzt ehrlich zu dir bin, oder? Als dass ich deine Frau werde, obwohl ich im tiefsten Innern weiß, dass ich … dass ich dich nicht liebe.«
    Ihre Stimme wurde bei diesen letzten Worten leiser, aber sie hielt den Blick auf mich gerichtet, und ihr Ausdruck war so unerschütterlich, dass ich regelrecht Angst bekam. Ich griff wieder nach ihrer Hand.
    »Caroline, bitte. Bedenke doch, was du da sagst!«
    Sie schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Seit Mutters Beerdigung habe ich nichts anderes getan, als darüber nachzudenken. Ich habe so gründlich nachgedacht, dass sich die Gedanken schon verwirrt haben wie Stricke. Erst seit kurzem sehe ich wieder klar.«
    Ich sagte: »Ich weiß, dass ich dich zu sehr gedrängt habe. Das war dumm von mir. Aber wir können … noch mal von vorn anfangen. Wir müssen nicht gleich wie Mann und Frau sein, nicht sofort. Erst wenn du dazu bereit bist … Ist es vielleicht das, was dir Sorgen bereitet?«
    »Nein, das ist nicht das Problem, wirklich nicht.«
    »Wir können uns Zeit lassen.«
    Sie zog die Hand weg. »Ich habe schon viel zu viel Zeit verloren. Merkst du es denn nicht? Diese ganze Geschichte zwischen uns, sie ist doch nie echt gewesen. Nachdem Rod fort war, war ich so unglücklich, und du bist immer so nett gewesen. Ich dachte, dass du auch unglücklich wärst, dass du genauso gern fortwolltest wie ich. Ich dachte, dass ich mein Leben ändern könnte, wenn ich dich heirate. Aber du willst hier gar nicht weg, nicht wahr? Und mein Leben würde sich auch nicht einfach so ändern. Ich würde bloß eine Reihe von Pflichten gegen neue Verpflichtungen eintauschen. Ich habe genug von Verpflichtungen! Ich kann das nicht. Ich kann keine Arztfrau sein. Ich kann überhaupt keine Ehefrau sein. Und vor allem kann ich nicht hierbleiben!«
    Sie sprach diese letzten Worte mit einer Art Abscheu aus, und als ich sie verständnislos anstarrte, sagte sie: »Ich gehe fort. Das will ich dir sagen. Ich gehe fort von Hundreds.«
    »Das kannst du doch nicht«, sagte ich.
    »Das muss ich aber.«
    »Das kannst du nicht! Wo zum Teufel willst du denn hingehen?«
    »Ich habe mich noch nicht entschieden. Zuerst nach London. Und danach vielleicht nach Amerika oder Kanada.«
    Sie hätte ebenso gut sagen können: »Zum Mond.« Als sie mein ungläubiges Gesicht sah, sagte sie noch einmal: »Ich muss. Verstehst du das denn nicht? Ich muss … einfach hier raus. Für Leute wie mich ist England nicht mehr das Richtige. Das Land will mich nicht.«
    »Aber ich will dich, um Gottes willen«, sagte ich. »Bedeutet dir das denn gar nichts?«
    »Willst du das wirklich?«, fragte sie. »Oder willst du nicht eigentlich das Haus?«
    Die Frage stimmte mich so perplex, dass ich keine Antwort herausbrachte. Sie fuhr mit leiser Stimme fort: »Noch vor einer Woche hast du mir gesagt, dass du mich liebst. Kannst du wirklich aus vollem Herzen sagen, dass du dasselbe empfinden würdest, wenn Hundreds nicht mein Zuhause wäre? Du hattest die Vorstellung, dass du und ich hier als Mann und Frau leben könnten, oder? Der Landedelmann und seine Gattin … Aber dieses Haus will mich nicht. Ich will es nicht. Ich hasse dieses Haus!«
    »Das stimmt doch nicht.«
    »Natürlich stimmt das! Wie könnte ich denn anders, als es zu hassen? Meine Mutter ist hier umgebracht worden, Gyp ist hier umgekommen. Und Rod hätte genauso gut ums Leben kommen können. Ich weiß nicht, warum nie etwas versucht hat, mich umzubringen. Stattdessen habe ich die Chance bekommen fortzugehen. Nein, sieh mich nicht so an.« Ich hatte mich auf sie zu bewegt. »Ich bin nicht verrückt, falls du das glauben solltest. Obwohl ich mir gar nicht so sicher bin, ob dir das nicht gefallen würde. Dann könntest du mich

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