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Der Besucher - Roman

Der Besucher - Roman

Titel: Der Besucher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Waters
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oben im Kinderzimmer gefangen halten. Die Gitter sind ja schließlich schon vor den Fenstern.«
    Sie war wie eine Fremde. »Wie kannst du nur solche schrecklichen Dinge sagen?«, fragte ich. »Nach allem, was ich für dich und deine Familie getan habe.«
    »Denkst du vielleicht, ich sollte mich revanchieren, indem ich dich heirate? Denkst du das? Dass die Ehe eine Art Lohn ist?«
    »Du weißt genau, dass ich so nicht denke, Himmel noch mal! Ich will nur … unser gemeinsames Leben, Caroline. Willst du das einfach so wegwerfen?«
    »Tut mir leid. Aber ich habe dir doch schon gesagt: Es war alles nicht wirklich!«
    Mir brach die Stimme. »Aber ich bin wirklich. Du bist wirklich. Hundreds ist wirklich, oder etwa nicht? Was zum Teufel denkst du denn, wird mit diesem Haus passieren, wenn du fortgehst? Es wird auseinanderfallen.«
    Sie wandte sich ab und sagte mit müder, überdrüssiger Stimme: »Nun, das ist dann nicht mehr mein Problem.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie wandte sich wieder um und runzelte die Stirn. »Ich werde den Besitz natürlich zum Verkauf anbieten. Das Haus, das Landgut – alles. Ich werde das Geld brauchen.«
    Ich hatte geglaubt, ich hätte sie verstanden. Nichts hatte ich verstanden. Entsetzt sagte ich: »Das ist doch nicht dein Ernst. Der Besitz könnte auseinandergerissen werden; alles Mögliche könnte passieren. Das kann doch wirklich nicht dein Ernst sein! Und im Übrigen: Das Anwesen gehört dir doch gar nicht, du kannst es nicht verkaufen. Es gehört deinem Bruder.«
    Ihre Lider flatterten leicht. »Ich habe schon mit Dr. Warren gesprochen«, entgegnete sie. »Und vorgestern bin ich bei Mr. Hepton gewesen, unserem Anwalt. Als Rod zum ersten Mal so krank war, bei Kriegsende, hat er uns eine Vollmacht ausgestellt, falls Mutter und ich je in die Situation kämen, für ihn Entscheidungen über das Anwesen treffen zu müssen. Das Dokument ist immer noch gültig, sagt Mr. Hepton. Ich kann also das Haus verkaufen. Ich tue nur das, was Rod auch tun würde, wenn es ihm besser ginge. Und ich denke, es wird ihm bald besser gehen, wenn das Haus erst mal verkauft ist. Und wenn es ihm wirklich besser geht, dann werde ich ihn zu mir holen – egal wo ich auch bin –, und er kann bei mir leben …«
    Sie sprach mit ruhiger, vernünftiger Stimme, und mir wurde klar, dass sie jedes Wort, das sie sagte, auch meinte. Eine Art Panik verengte mir die Kehle, und ich begann zu husten. Der Husten stieg in mir auf wie ein Krampf, plötzlich, heftig und trocken. Ich bewegte mich fort von ihr, lehnte mich zitternd an die offene Tür und hätte mich beinahe auf die bewachsenen Stufen draußen übergeben müssen.
    Sie streckte die Hand nach mir aus. Als der Husten nachließ, sagte ich: »Fass mich nicht an, es geht schon wieder.« Ich wischte mir den Mund ab. »Auch ich habe Hepton vorgestern getroffen. Ich bin ihm in Leamington über den Weg gelaufen. Und wir haben ein nettes kleines Schwätzchen gehalten.«
    Sie wusste genau, worauf ich anspielte, und sah zum ersten Mal so aus, als ob sie sich schämte. »Es tut mir so leid.«
    »Das sagt sich so leicht.«
    »Ich hätte es dir schon längst sagen sollen. Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen … Ich … Ich wollte mir erst ganz sicher sein. Ich bin ein ziemlicher Feigling gewesen, ich weiß.«
    »Und ich bin ein ziemlicher Idiot gewesen, oder?«
    »Sag das doch nicht. Du bist immer nett und grundanständig gewesen!«
    »Na – was die in Lidcote sich nun über mich amüsieren werden. Geschieht mir wahrscheinlich ganz recht, weil ich mich außerhalb meiner eigenen Klasse umgeschaut habe.«
    »Sag bitte so was nicht.«
    »Aber das werden die Leute doch sagen, oder?«
    »Nette Leute nicht, nein.«
    »Nein«, sagte ich und richtete mich wieder auf. »Du hast recht. Sie werden etwas anderes sagen. Sie werden sagen: ›Die arme hässliche Caroline Ayres. Ist ihr denn nicht klar, dass sie selbst in Kanada keinen anderen Mann finden wird, der sie nehmen will?‹«
    Ich sagte ihr die gehässigen Worte direkt ins Gesicht. Dann ging ich quer durchs Zimmer zum Sofa zurück und nahm das Kleid hoch.
    »Das behältst du am besten«, sagte ich, knüllte es zusammen und warf es in ihre Richtung. »Du kannst es bestimmt noch gebrauchen. Und die behältst du am besten auch.« Ich warf die Seidenblumen hinterher. Sie landeten zitternd zu ihren Füßen.
    Dann sah ich das kleine Chagrinlederkästchen, das ich abgestellt hatte, als sie zu reden begonnen hatte. Ich öffnete es,

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