Der Besucher - Roman
Glück, dass sie die Zeit so gut überstanden haben. Auf Standish haben wir bei unserem Einzug wunderbare Tapisserien vorgefunden, aber sie waren praktisch völlig mottenzerfessen, wir mussten sie herausreißen. Das fand ich wirklich schade!«
»Oh, das ist aber ein Jammer«, sagte Mrs. Ayres. »Diese Tapisserien waren wirklich wunderbar!«
»Haben Sie sie mal gesehen?«, erkundigte Mrs. Baker-Hyde sich beiläufig.
»Aber ja, natürlich«, erwiderte Mrs. Ayres, denn der Colonel und sie mussten früher auf Standish ein und aus gegangen sein. Auch ich war einmal in dem Haus gewesen, um einen der Dienstboten zu behandeln, und mir war klar, dass Mrs. Ayres genau wie wir anderen an die vornehmen düsteren Räume und Korridore dort dachte, an die alten Teppiche und Wandbehänge und an die Faltwerk-Paneele, die praktisch jede Wand bedeckt hatten, von denen aber mehr als die Hälfte, wie Peter Baker-Hyde uns nun erzählte, vom Holzwurm befallen waren, so dass man sie würde herausreißen müssen.
»Es ist schrecklich, sich von so etwas trennen zu müssen«, sagte seine Frau, wohl als Reaktion auf unsere ernsten Gesichter, »aber man kann auch nicht ewig an den Dingen hängen, und wir haben gerettet, was wir konnten.«
»Ja«, ergänzte Peter Baker-Hyde, »noch ein paar Jahre, und der ganze Kasten wäre gar nicht mehr zu renovieren gewesen. Die Randalls haben wohl geglaubt, sie dienten der Nation, indem sie bloß dasaßen und alle Modernisierungen schleifen ließen. Aber meiner Meinung nach hätten sie das Haus schon vor Jahren aufgeben sollen, wenn sie nicht das nötige Geld hatten, es instand zu halten. Da hätten Sie es besser an ein Hotel oder einen Golfclub gegeben.« Er nickte Mrs. Ayres freundlich zu. »Aber Sie kommen hier ganz gut zurecht, oder? Ich habe gehört, Sie haben das meiste Ackerland verkauft. Kann ich Ihnen nicht verdenken, das Gleiche haben wir auch vor. Aber unseren Park, den wollen wir behalten, der gefällt uns.« Er rief seiner Tochter zu: »Nicht wahr, Schätzchen?«
Sie saß neben ihrer Mutter. »Ich bekomme ein weißes Pony!«, erzählte sie uns fröhlich. »Und ich werde darauf springen lernen!«
Ihre Mutter lachte. »Und ich auch!« Sie strich dem Mädchen über das Haar. An ihren Handgelenken baumelten silberne Armbänder, die wie Glöckchen klingelten. »Wir werden gemeinsam reiten lernen, nicht wahr?«
»Reiten Sie denn noch nicht?«, erkundigte sich Helen Desmond.
»Nein, bisher leider nicht.«
»Außer wenn Sie Motorräder als Rösser zählen!«, rief Mr. Morley von seinem Platz auf dem Sofa dazwischen. Er hatte Caroline gerade eine Zigarette angeboten, aber drehte sich nun mit dem Feuerzeug in der Hand von ihr weg. »Ein Freund von uns hat eins. Sie sollten Diana mal darauf herumbrausen sehen! Sie ist wie eine Walküre!«
»Aber nicht doch, Tony!«
Sie lachten gemeinsam über einen Witz, den nur sie beide verstanden. Caroline fuhr sich verlegen mit der Hand durchs Haar, dabei löste sich ihr Paillettenkamm. Peter Baker-Hyde fragte Mrs. Ayres: »Sie haben doch wahrscheinlich Pferde, oder? Jeder hier oben scheint Pferde zu halten.«
Mrs. Ayres schüttelte den Kopf: »Ich bin viel zu alt, um noch zu reiten. Caroline mietet sich manchmal ein Pferd vom alten Padmore in Lidcote, obwohl sein Stall auch nicht mehr das ist, was er mal war. Als mein Mann noch lebte, hatten wir einen eigenen Stall.«
»Und einen sehr guten noch dazu!«, warf Mr. Rossiter ein.
»Doch dann, als der Krieg kam, wurde es immer schwieriger. Und als mein Sohn verwundet wurde, haben wir es drangegeben … Roderick war bei der Royal Air Force, wissen Sie.«
»Ah«, sagte Mr. Baker-Hyde. »Na, das wird ihm wohl keiner ankreiden wollen, was Tony? Was ist er denn geflogen? Mosquitos? Schöne Sache. Ein Kumpel hat mich mal in einer mitgenommen, und ich konnte gar nicht schnell genug wieder aussteigen. War so, als würde man in einer Sardinenbüchse rumgewirbelt. Ein bisschen rumschippern vor Anzio, das hat mir mehr gelegen. Hat sich am Bein verletzt, Ihr Sohn, habe ich gehört. Das tut mir leid. Wie kommt er denn zurecht?«
»Ach, ganz gut.«
»Sich seinen Humor zu erhalten, das ist natürlich das Wichtigste … Ich würde ihn ja gern mal kennen lernen.«
»Ja, natürlich«, sagte Mrs. Ayres besorgt. »Ich weiß, dass er Sie auch gern kennen lernen würde!« Sie blickte auf das Zifferblatt ihrer Armbanduhr. »Also wirklich, ich kann mich gar nicht genug entschuldigen, dass er noch nicht hier ist, um Sie zu
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