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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Ich verkaufe an Breitenstein. Und ich möchte, dass der Vertrag so schnell wie möglich unter Dach und Fach kommt.«
     
     
     
    »Du hast mir nie erzählt, dass du in Irland warst. . .« Ihre Stimme zitterte von den Vibrationen der elektrischen Zahnbürste, die summend in ihrem Mundwinkel steckte. Wieso wartete sie mit dem Sprechen nicht einfach, bis sie mit dem Zähneputzen fertig war? Sicher spritzten gerade jetzt, in diesem Moment, unzählige kleine Schaumtröpfchen aus ihrem Mund gegen den Badezimmerspiegel. Morgen früh würde sie die angetrockneten Ränder mit dem Fingernagel bearbeiten. In solchen Dingen war sie überaus geduldig. Ihren eigenen Dreck wegzumachen. Er hörte das Schaben und Kratzen ihrer Nägel auf dem Glas. Anhauchen, kratzen. Anhauchen, wischen. Getrocknete Spucke und dahinter ihr Gesicht. Er schloss die Augen. Was redete sie da überhaupt wieder für einen Unsinn zusammen?
    »Was ?« Die Zahnbürste summte noch immer. »Hast du was gesagt?«
    Nein, ich habe nichts gesagt, du tumbe, widerliche Kuh. Er machte die Augen wieder auf und blickte zur Zimmerdecke hinauf. Durch das Fenster fiel das helle, fast aggressive Licht der Straßenlaterne, die vor dem Haus stand. Er wälzte sich aus dem Bett und ließ die Rollläden herab. Schließlich musste man das Grauen nicht noch extra beleuchten.
    »Schatz?«
    Wenigstens hatte sie endlich die verdammte Zahnbürste ausgeschaltet. Aber er spürte, dass die Gefahr noch nicht gebannt war. Wenn sie wollte, konnte sie recht hartnäckig sein. Geradezu penetrant. Tumbe, penetrante Kuhuhu . . .
    »Hörst du?«
    Eilig griff er ein Thema auf, von dem sie beim Abendessen gesprochen hatte. »Wann ist denn eigentlich diese Aufführung?« Er erinnerte sich dunkel daran, dass sie eine Aufführung erwähnt hatte, vorhin. Und er musste sie ablenken. Etwas an der Art, wie sie heute Abend mit ihm sprach, gefiel ihm ganz und gar nicht.
    »Was?« Sie trat aus dem Bad und rieb sich die Hände. Sie waren knallrot, so als habe sie sie bis über die Ellenbogen in einen Eimer voller Rinderblut getaucht. Er roch die Creme, die sie benutzt hatte. Reines Erdöl, aber sündhaft teuer. Von dem Geruch wurde ihm schlecht. Diese tumbe, penetrante Kuh verursachte ihm Übelkeit, und sie stellte immer dieselben Fragen.
    »Die Aufführung«, wiederholte er vage. Irgendetwas wurde in diesem Kindergarten schließlich immer aufgeführt. Außerdem war bald Weihnachten. Da gab es Krippenspiele, Nikolausspiele, Adventsspiele, was auch immer. Und sie hatte doch selbst von einer Aufführung gesprochen, vorhin beim Abendessen. Was das betraf, war er sich ganz sicher. Er hob den Kopf und sah, dass sie noch immer in der Badezimmertür stand und ihn komisch anstarrte. In letzter Zeit tat sie das manchmal, ihn komisch anstarren, das war ihm aufgefallen.
    »Am Wochenende nach Nikolaus.«
    Er lächelte ihr zu.
    Sie langweilte ihn. Im Grunde hatte sie ihn von Anfang an gelangweilt. Die trüben braunen Augen. Die devote, fast hündische Art, wie sie ihn ansah, wenn sie wieder einmal Sex wollte. Die roten Flecken auf ihren Händen, die mit jedem Jahr und jeder Creme schlimmer wurden und die ihn entfernt an Stigmata erinnerten. Sie hatte sich ihm ausgeliefert, ihr bisschen Leben so bedenkenlos und bereitwillig an das seine geknüpft, dass er ihr am liebsten den Schädel eingeschlagen hätte für ihre Dummheit. Aber er brauchte sie nun einmal. Sie war wie eine Perücke, die man aufsetzte, wenn man nicht erkannt werden wollte, genauso dumm, aber auch genauso nützlich. Der Gedanke an Perücken erregte ihn, und er spielte einen flüchtigen Moment lang mit dem Gedanken, sie zu rufen. Sie mochte es unsanft, zumindest beschwerte sie sich nie, aber meistens ließ sie ihn anschließend eine Weile in Ruhe.
    »... und ich bin wirklich nicht begeistert davon, das weißt du«, sagte sie jetzt.
    Er hörte es nur , weil die Matratze unter ihrem Gewicht plötzlich nachgab. Schnell nickte er wieder. Er hatte sie so unvorstellbar leicht bekommen, obwohl er sie gar nicht haben wollte. Er hatte nie wieder jemanden haben wollen. Nur die eine . . .
    Nach der einen hatte ihn keine jemals wieder inspiriert. Nicht in Hamburg und auch nicht später. Er hatte ein paar ausprobiert. Ein paar für Geld, ein paar umsonst, solche, die auch ohne Geld taten, was er verlangte. Solche, die sogar seine Blumen behielten. Aber er hatte festgestellt, dass er sie alle nicht haben wollte. Nur die eine. Die Erste. Sie war so stark gewesen, so anders

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