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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Garage.
    »Dort waren sie von der Straße aus gut zu sehen«, sagte Bredeney, »was unsere Annahme bestätigt, dass der Täter den Mord an Frau Reisinger nicht geplant hatte. Er ist ihr gefolgt und hat unterwegs nach einer geeigneten Tatwaffe Ausschau gehalten.«
    Winnie Heller strich sich eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. »Irgendwelche Spuren an der Palette oder im Garten?«
    »Nichts.«
    »Hätte mich auch gewundert«, sagte Verhoeven und warf einen raschen Blick in den Bericht des kriminaltechnischen Labors, der auf seinem Schreibtisch lag.
    »Außerdem hat sich noch ein Herr gemeldet, der Tamara Borg am Montagabend an der Kirche begegnet ist.« Bredeney warf einen flüchtigen Blick in seine Notizen. »Gegen einundzwanzig Uhr. Der Zeuge wohnt in der Nähe der Kirche und kannte das Opfer vom Sehen. Tamara Borg habe ihm fröhlich zugewinkt und sei dann vom Rad gestiegen, um es die Stiege hinaufzuschieben.«
    Verhoeven blickte auf. »Hat er jemanden gesehen, der ihr gefolgt ist?«
    »Der Zeuge hat niemanden bemerkt«, erwiderte Bredeney. »Die Borg hätte, im Gegenteil, einen absolut unbekümmerten Eindruck gemacht. Sie habe sich nicht besonders beeilt und sich auch nicht umgeblickt.«
    »Das deckt sich mit dem, was wir bereits vermutet haben«, bemerkte Winnie Heller an Grovius’ Schreitisch, hinter dem sie wie ein verirrtes Kind wirkte. »Er hat ihr an der Treppe aufgelauert, nachdem er an der entsprechenden Stelle eine der Laternen zerschlagen hatte.«
    Verhoeven betrachtete ihre Hände, die verloren auf der kahlen Schreibtischplatte lagen, und zum ersten Mal kam ihm der Gedanke, dass sie sich nicht wohlfühlte. Dass sie den Schreibtisch, den sie so unfreiwillig geerbt hatte, vielleicht gar als eine Art Last empfand. Ja, dachte er, im Grunde wirkt ihr Arbeitsplatz genauso unpersönlich wie der von Marianne Siemssen. Keine Fotos, keine Blumen. Nicht einmal eine Packung Taschentücher. Er dachte darüber nach, wie der Schreibtisch ausgesehen hatte, als Grovius dort gesessen hatte, aber es wollte ihm nicht mehr viel einfallen. Ein kitschiger Briefbeschwerer. Tabletten gegen Reizmagen. Eine Bananenkistevoller Persönlichkeit. Blusen für Bangladesch. War es eigentlich ein Fluch oder ein Segen, dass man so schnell vergaß? War es Glück, dass Holger Grovius den Hausstand seines Vaters aufgelöst hatte, ohne ihnen ein Andenken anzubieten, ihm und Ulla? Was würdest du damit gemacht haben? , spöttelte Silvie in seinem Kopf. Wenn Holger dir das verdammte Scheiß-Projektil gegeben hätte, was würdest du damit angestellt haben? Hättest du es in die Nachttischschublade gelegt? Zu Karls Uhr? Er schleuderte die Akte mit dem Untersuchungsbericht auf den Schreibtisch und sah Werneuchen an. »Was habt ihr in Bezug auf die Perücke herausgefunden?«
    »Gar nichts«, seufzte dieser. »Wir waren in allen Geschäften und Friseursalons, die hier in der Stadt solche Dinger verkaufen. Aber nirgendwo konnte sich jemand explizit an den Verkauf einer blonden Langhaarperücke erinnern, schon gar nicht an einen männlichen Kunden.«
    »Natürlich kann man so ein Ding auch über ein Versandhaus oder über das Internet beziehen«, sagte Bredeney. »Möglicherweise hat der Kerl die Perücke schon seit Jahren, oder er ist nicht aus dieser Gegend, oder er hat sie in irgendeiner Kaschemme in Hamburg oder München erstanden.«
    »Trotzdem sollten wir den Radius noch einmal ausdehnen«, sagte Verhoeven mit dem unangenehmen Gefühl, die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen zu suchen.
    Bredeney nickte nur, aber sein Blick sagte deutlich, wie viel Chancen er diesem Vorschlag einräumte. Aber wo sonst sollten sie ansetzen? Wo war das Bindeglied? Der rote Faden? Sie fanden ihn einfach nicht. Liegt es am Ende daran, dass ich es versäumt habe, zu lernen?, dachte Verhoeven. Damals, als ich noch Zeit dazu hatte? Oder kommt etwas wie das hier grundsätzlich zu früh? Ist man jemals ausreichend vorbereitet? Vorbereitet auf das Ungeheuerliche? Er blickte auf die Kompassnadel an Grovius’ Uhr hinunter. Immer noch keine Zeitzum Trauern, dachte er. Keine Gelegenheit zum Innehalten. Wir werden von immer neuen Ereignissen überrannt, die unser Fassungsvermögen übersteigen. »Was sagt der Psychologe?«
    »Das Hinterlassen von Blumen ist vieldeutig.« Werneuchen zuckte mit den Achseln. »Es könnte seine Kondolenz bekunden. Er könnte aber auch ein Fetischist sein.« Er warf einen Blick in seine Notizen. »Er ist konsequent, überaus gut vorbereitet,

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