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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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umständlich seine Brille zurecht. »Es wird Ihnen nicht gelingen, diese Sache einfach unter den Teppich zu kehren.«
    Hinnrichs verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich kann Ihnen versichern, dass hier niemand die Absicht hat . . . «
    »Erzählen Sie mir doch nichts!«, unterbrach ihn Kluger aufgebracht. »Ich lese auch Zeitung. Und ganz offensichtlich hat sich die Polizei, was diese anderen Frauen angeht, ganz und gar nicht mit Ruhm bekleckert.« Er holte tief Luft und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Verhoeven fragte sich, ob ihm bewusst war, dass er seine Tochter soeben in eine Reihe mit drei Toten gestellt hatte. »Hören Sie«, setzte Kluger erneut an. Seine Fingerspitzen zitterten. »Es ist mir nicht daran gelegen, Sie und Ihre Arbeit zu kritisieren. «
    »Wenn wir nur wüssten, wo wir nach ihr suchen sollen«, fiel seine Frau ihm ins Wort. »Wir haben Bekannte und Nachbarn, die uns helfen würden.« Sie sah ihren Mann an, der jedoch in keiner Weise auf ihre Worte reagierte. »Vielleicht liegt sie ja irgendwo und ist verletzt oder ohnmächtig.« Sie senkte den Blick und betrachtete das zerknüllte Papiertaschentuch auf ihrem Schoß, als könne sie sich nicht daran erinnern, wie es dort hingekommen war. Ihr Mann legte ihr mechanisch die Hand auf die Schulter, ohne sie dabei anzusehen. »Wenn wir nur wüssten, wo wir nach ihr suchen sollen«, wiederholte sie müde.
    Verhoeven schloss für ein paar Sekunden die Augen. Weiß der Tod, mit tausend Ratten kommt er still ... Das dritte Gedicht. Das vorletzte ... aus den Fluten steigen sie unzählig ... Ein verschwundenes Mädchen und ein Gedicht... und nagen was blieb vom Haar und Geäst... Er machte die Augen wieder auf und massierte sich mit den Zeigefingern die Schläfen, hinter denen sich Kopfschmerzen ankündigten. Unter der dünnen Haut pulsierte sein Blut... aus den Fluten steigen sie unzählig... »Verzeihen Sie«, wandte er sich an Anna-Lena Klugers Eltern. »Sie wissen nicht zufällig, ob es in der Nähe der Firma, in der Ihre Tochter arbeitet, irgendwo Wasser gibt? Einen See vielleicht oder etwas Ähnliches?« Er dachte einen Augenblick lang nach. »Es könnte auch ein Schwimmbad sein oder ein Weiher.«
    Vera Kluger hob den Kopf und starrte ihn verständnislos an, doch ihr Mann nickte sofort. »Da ist ein See in der Nähe«, sagte er. »Etwa zwei Kilometer entfernt, aber nicht zur Stadt hin, sondern in die andere Richtung.« Er sah Verhoeven an. Ein Hauch von Erleichterung schwang in seiner Stimme. Er konnte etwas tun. Er wusste etwas. Er konnte Informationen geben, die vielleicht weiterhalfen. »Der See befindet sich kurz vor der nächsten Ortschaft«, ergänzte er hoffnungsvoll.
    »Soweit ich weiß, gehen die Kinder aus der Umgebung im Sommer dorthin zum Baden. Wieso fragen Sie danach?«
    Verhoeven tauschte einen Blick mit Winnie Heller. Klugers Frage ließ er unbeantwortet. »Ist dieser See von der Straße aus zu sehen?«, fragte er stattdessen.
    »Ich glaube nicht«, sagte Kluger nach kurzer Überlegung. »Aber wenn ich mich recht erinnere, gibt es ein Hinweisschild. Eine Art Wegweiser.«
    Verhoeven nickte. »Entschuldigen Sie mich bitte einen Augenblick«, sagte er ruhig und erhob sich von seinem Stuhl.
     
     
     
    Die beiden Streifenbeamten, die kurz darauf den Auftrag erhielten, sich in der Gegend rund um den Baggersee umzusehen, brauchten nicht lange zu suchen. Die Tote lag am Südufer mit ausgebreiteten Armen auf dem Rücken. Ihr Oberkörper war nackt, die Kleidungsstücke hatte der Mörder achtlos neben die Leiche geworfen. Der frisch gefallene Schnee vermochte das Grauen nur unzureichend zu verdecken: Bauch und Arme des Mädchens waren mit Schnittwunden übersät. Neben und auf der Leiche lagen sieben tote Ratten.
    Als Verhoeven und Winnie Heller eintrafen, war einer der beiden Beamten gerade dabei, sich zum zweiten Mal in die kahlen Büsche am Zufahrtsweg des Sees zu übergeben.
    »So etwas habe ich noch nie gesehen«, sagte sein Kollege. Auch er war kreidebleich. »Dass jemand einem jungen Mädchen etwas Derartiges antun kann, noch dazu, wo er sie nicht einmal . . .« Er stutzte und wandte den Blick ab.
    »Was zum Teufel meinen Sie mit nicht einmal ?«, fuhr Verhoeven ihn an. »Käme Ihnen dieses Schlachthaus erklärlicher vor, wenn das Mädchen vergewaltigt worden wäre?«
    Der uniformierte Kollege biss sich auf die Unterlippe und schwieg.
    Verhoeven warf ihm einen verächtlichen Blick zu. »Passen Sie bloß auf, was Sie

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