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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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schon vorstellen. Aber du packst das! Ganz sicher ... Nein, keine Sorge, Papageno wird sich hübsch zurückhalten, sonstbekommt er es mit mir zu tun und ... Was meinst du? Ja, ich weiß auch, dass Welse Allesfresser sind, aber das bedeutet doch noch lange nicht, dass sie sich an Kindern vergreifen.« Sie stand auf, holte ihre Decke vom Bett und wickelte sich darin ein. Dann nahm sie sich eine neue Gurke und setzte sich wieder vor das Aquarium. »Ja doch, ich achte darauf, dass er immer genug zu fressen hat, solange die Kleinen noch nicht auf sich selbst aufpassen können. Verlass dich auf mich!«
    Zwei Stunden später rief Verhoeven an. »Heute Nacht war ein Ehepaar im Präsidium, um die Tochter als vermisst zu melden, die von der Arbeit nicht nach Hause gekommen ist.«
    Winnie Heller hielt den Atem an. »Wie alt?«
    »Einundzwanzig«, entgegnete Verhoeven. »Man hat die Eltern mit den üblichen Bemerkungen nach Hause geschickt. Erst einmal abwarten, sie meldet sich bestimmt in den nächsten Stunden, in dem Alter ist es nicht ungewöhnlich, wenn eine junge Frau mal für eine Nacht verschwindet. Sie wissen ja, wie das läuft.«
    Sie nickte, obwohl ihr klar war, dass Verhoeven sie nicht sehen konnte. Ja, sie wusste, wie solche Dinge liefen und wie viel Zeit oft verschenkt wurde. Wie viel Zeit verloren ging. Zeit, über die man erst wieder nachdenken durfte, wenn der Obduktionsbefund die Bestätigung lieferte, dass das Opfer in der verschenkten Zeit längst nicht mehr am Leben gewesen war.
    »Jetzt sind die Eltern wieder hier«, sagte Verhoeven. »Die Tochter ist noch immer nicht aufgetaucht und hat auch nicht angerufen. Die Leute sind außer sich vor Sorge. Scheinbar ist das Mädchen sonst äußerst zuverlässig. Und sie müsste eigentlich schon wieder bei der Arbeit sein.«
    »Verdammt!« Mit den Fingern der freien Hand strich Winnie Heller ein paar widerspenstige Haarsträhnen glatt, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten und seitlich vonihrem Kopf abstanden. Nicht noch eine, dachte sie. Noch eine verkraften wir nicht. Die letzten beiden sind noch nicht einmal unter der Erde.
    »Das Mädchen arbeitet bei einer Baustofffirma im Gewerbegebiet«, fuhr Verhoeven indessen fort. »Sie musste gestern Abend Überstunden machen, was sie ihren Eltern übrigens auch brav mitgeteilt hat. Ihr Chef gibt an, dass sie zeitig genug fertig gewesen ist, um den letzten Bus in die Stadt noch zu erreichen. Und der fährt . . .« Winnie Heller hörte das Rascheln von Papier. »Der Bus fährt um einundzwanzig Uhr vierundzwanzig. Der Vater hatte seiner Tochter sogar angeboten, sie abzuholen, falls sie den Bus verpasst, aber sie hat von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht, was zu der Aussage ihres Vorgesetzten passen würde. Die Eltern waren noch in der Nacht draußen bei der Baustofffirma und haben sich dort umgesehen, aber es gibt keine Spur von Anna-Lena. So heißt das Mädchen: Anna-Lena Kluger.«
    »Bin schon unterwegs«, rief Winnie Heller, indem sie hastig noch etwas Trockenfutter ins Aquarium rieseln ließ, damit Papageno gar nicht erst auf dumme Gedanken kam. »In spätestens zwanzig Minuten bin ich da.«
    »Da ist noch etwas.«
    »Was?«
    Verhoeven räusperte sich. »Ich habe auf der Liste nachgesehen, die Marianne Siemssen uns mitgegeben hat.«
    »Das Mädchen war Mitglied im Fit for Life?«
    »Ja«, sagte Verhoeven. »Aber sagen Sie nicht war .« Er zögerte. »Noch nicht.«

Etwa eine halbe Stunde später saßen sie in Hinnrichs’ Büro den Eltern von Anna-Lena Kluger gegenüber. Hinnrichs’ Sekretärin hatte Kaffee gemacht. Die vollen Tassen standen unberührt in der Mitte des Tisches. Durch die beschlagenen Fenster sah man die schneeüberhauchten Dächer im trüben Morgenlicht glänzen.
    »Sie würde niemals die ganze Nacht wegbleiben, ohne uns Bescheid zu geben«, schluchzte Anna-Lena Klugers Mutter und vergrub das Gesicht in den Händen. »Es muss ihr etwas geschehen sein. Das ist die einzig denkbare Erklärung.«
    Verhoeven wagte es nicht, ihr zu widersprechen, nicht einmal, um sie zu trösten.
    Wilhelm Kluger räusperte sich. »Nach allem, was hier in der Stadt in den letzten Wochen los war, sind Sie verpflichtet, uns ernst zu nehmen«, sagte er tonlos, aber mit Nachdruck. »Mir ist durchaus bewusst, dass die Polizei in solchen Fällen normalerweise erst nach Ablauf einer bestimmten Frist tätig wird, aber so wie die Dinge liegen, werden Sie jetzt gleich etwas unternehmen müssen.« Er stutzte und rückte dann

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