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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Siemssen die Wahrheit gesagt? Hatte der sechzehnjährige Junge, der ihr vor sechsundzwanzig Jahren überallhin gefolgt war, etwas mit den Morden zu tun?
    Raphael Martin war tot ...
    Sie griff nach dem Untersuchungsbericht, den Werneuchen gebracht hatte. In ihrem Kopf mischten sich Gedanken mit Stimmen. Gesprächsfetzen zuckten durch ihr Gedächtnis. Puzzleteile. Ein sechzehnjähriger Junge, der seiner Angebeteten Blumen schickt... Sie schien diese Blumen irgendwie als Angriff zu empfinden ... Er macht ihr Geschenke ... Und dabei neigt sie überhaupt nicht zu Ausbrüchen, müssen Sie wissen ... Und schreibt Gedichte. Für sie? Über sie? ... Ich hätte mich leicht gegen ihn zur Wehr setzen können, wenn er mich angegriffen hätte ... Wer wusste davon? Wer kannte Marianne Siemssens Vergangenheit? ... Sie stürzte eine Treppe hinunter ... Immerhin lag die ganze Geschichte inzwischen sechsundzwanzig Jahre zurück... An meinen Türen sind Schlösser, damit ich bestimmen kann, wer mein Haus betritt ... Sagte Marianne Siemssen die Wahrheit? Alles, was sie über Raphael Martin wussten, wussten sie von ihr. Nur von ihr ... Und da habe ich zufällig gehört, dass Frau Siemssen das Studio verkaufen will. . . Winnie Heller lehnte sich zurück. Vor ihrem inneren Auge dämmerte ein Bild herauf. Jemand beugt sich über eine Liste ... Solche Schuhe werden von Männern und Frauen gleichermaßen getragen ... Auf der Liste stehen Namen von Frauen, die sterben müssen ... Das Haar stammt von einer Asiatin ... Die Frauen sind Mitglieder in dem Fitness-Studio, das Marianne Siemssen gehört... Raphaels Vater kam bei einem Autounfall ums Leben ... Alle, bis auf eine ... Es war derImmobilienteil der Süddeutschen... Bis auf Susanne Leistner ... Eine Woche später verschwand meine Katze ... Denn Susanne Leistner wird schwanger und kündigt ihre Mitgliedschaft... Raphael stürzte in eine Felsspalte ... Aber sie kündigt acht Wochen zu spät ... Sein Freund brauchte zwei Tage, um Hilfe zu holen ... Susanne Leistner hatte einfach Pech ... Raphael konnte nur noch tot geborgen werden ...
    »Ich habe gehört, der Bericht ist gekommen?«
    »Was?« Erschreckt fuhr sie aus ihren Gedanken hoch.
    Verhoeven hängte seinen Mantel an den Haken. Sie sah die Spannung in seinem Körper, die Entschlossenheit ausdrückte. »Der Untersuchungsbericht.«
    »Ja, er ist da«, nickte sie und überflog erneut die ersten Seiten. »Ich habe hier das Protokoll der Aussage von Raphaels Freund über den Unfallhergang. Er räumt grob fahrlässiges Verhalten bei der Einschätzung des Geländes ein.«
    »Wie ist sein Name?«, fragte Verhoeven und griff zum Telefon. »Werneuchen kann in der Zwischenzeit schon mal herausfinden, wo sich unser einziger Zeuge heute aufhält. Falls der Mann noch am Leben ist«, fügte er hinzu, indem ihm etwas in den Sinn kam, das Bredeney gesagt hatte. Scheint ja alles andere als bekömmlich zu sein, diesen Raphael zu kennen .
    »Er heißt Richard Jannsen«, sagte Winnie Heller nach einem flüchtigen Blick in die Akte. »Jannsen mit zwei n.«
    Verhoeven gab die Information an Werneuchen weiter. Dann sah er seine Kollegin über den Schreibtisch hinweg prüfend an. »Haben Sie gefrühstückt?«
    Sie blickte auf und hielt ihren leeren Kaffeebecher in die Höhe.
    »Haben Sie auch etwas gegessen?«
    »Noch nicht.«
    »Dann besorge ich etwas.«
    Er war aus dem Zimmer, bevor sie »Nicht nötig« sagen konnte.

Er war unruhig. Die Dinge liefen nicht mehr nach Plan. Er war lange vor der Zeit dort gewesen, um die Kleine abzuholen. Aber sie war nicht erschienen. Er hatte gewartet und gewartet, immer unruhiger, immer zweifelnder, und erst viel später, als er beinahe schon zum Aufgeben bereit gewesen war, hatte er sie zufällig an der Haltestelle gesehen. Nur Minuten bevor der letzte Bus kam.
    Ein paar Augenblicke später, und die Sache wäre schiefgelaufen.
    Das gefiel ihm nicht.
    Er parkte den Wagen und fühlte einen tiefen Widerwillen gegen das, was ihm bevorstand, aber das durfte man ihm nicht ansehen. Die Sitzung heute Vormittag. Er musste sich konzentrieren. Vorsichtig sein. Sich nichts anmerken lassen. Sie wurden misstrauisch. Das beunruhigte ihn.
    Er warf einen Blick in den Spiegel hinter der Sichtblende, nur um sicherzugehen, dass er aussah wie immer. Das ganze Leben ist eine einzige Maskerade, dachte er und versuchte ein Lächeln, das geschäftsmäßige. Er hatte seine Umgebung studiert und gelernt, jedes erdenkliche Gefühl zu simulieren. Er hatte

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