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Der Beutegaenger

Titel: Der Beutegaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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Lächerliche zweihundertfünfzig Meter hatten sie von ihrem Auto getrennt. Winnie Heller nickte. Der Mörder musste sich seiner Sache absolut sicher gewesen sein ...
     
     
     
    Verhoeven stellte den Pappkarton auf den staubigen Fliesen ab und schloss die Tür zu Grovius’ Wohnung auf. Er hatte es endlich geschafft, den Schreibtisch auszuräumen. Die Hinterlassenschaft seines Mentors war kleiner, als er erwartet hatte. Ein einziger Karton von der Größe einer Bananenkiste hatte ausgereicht. Ein paar Ordner mit Dokumenten. Grovius’ privates Adressbuch. Drei Fotografien in schwarz lackierten Holzrahmen: Grovius mit dem Polizeipräsidenten. Grovius in Uniform. Grovius und Bredeney in Karnevalskostümen, ein unvorteilhafter, verwackelter Schnappschuss, Bredeney als Indianer und Grovius als Kojak mit pinkfarbenem Riesenlutscher, eine billige Plastikglatze über die rotblonden Haare gestülpt. Dazu ein klobiger Briefbeschwerer, Hexenhausmit Kunstschnee, eine kitschige schneebedeckte Tanne vor dem obligatorischen Jägerzaun. Tabletten gegen Reizmagen, Aspirin, Kapseln zum Entwässern ...
    Verhoeven machte Licht, stellte den Karton auf den Tisch in der Essecke und ließ sich mehr aus Gewohnheit als zu dem Zweck, sich lange aufzuhalten, in einen der beiden Sessel fallen. Sein Nacken schmerzte, und er sehnte sich danach, sich diesen schrecklichen Tag vom Körper zu duschen. Zugleich dachte er an die Fragen, die er vielleicht hätte stellen sollen und nicht gestellt hatte.
    Die Wohnung um ihn herum roch ungelüftet. Ulla hatte ihm gesagt, sie ertrüge es noch immer nicht, hier zu sein, und Verhoeven begann zu verstehen, was sie gemeint hatte. Zugleich fragte er sich, ob sie daran gedacht hatte, mit dem Vermieter zu sprechen, die Formalitäten zu regeln. Die Zeitung zu kündigen. Das Kabelfernsehen. Sie hatten nur kurz darüber gesprochen, und Ulla hatte ihm mehrfach versichert, sie werde sich um alles kümmern. Die Wohnung aufzulösen, Grovius’ Nachlass zu ordnen, das seien ganz eindeutig Dinge, die in ihren Aufgabenbereich als Witwe gehörten. Sie brauche nur etwas Zeit. Ein paar Tage noch. Höchstens eine Woche. Verhoeven massierte seinen Nacken. Auf einmal schämte er sich dafür, ihr keine Hilfe angeboten zu haben. Aber wenn er an die Beerdigung dachte, bezweifelte er, dass er dieses Versäumnis nachholen würde. Er lehnte den Kopf zurück und starrte an die Decke. Neben der schmucklosen Lampe war die Tapete vergilbt und schlug an mehreren Stellen Wellen. Er war oft hier gewesen. Trotzdem kam es ihm jetzt vor, als sähe er die Wohnung zum ersten Mal. Drei Zimmer. Küche. Fernseher. Schrankwand. Nicht schön oder elegant, im Grunde nicht einmal gemütlich. Eine typische Junggesellenwohnung eben. Die Wohnung eines Mannes, der für seinen Beruf lebte und nur zum Schlafen nach Hause ging.
    Schnörkellos und zweckmäßig. Jetzt allerdings wirkte sie kalt und unbewohnt. So als habe es Grovius nie gegeben. Wie schnell das geht, dachte er. Hinterlassen wir denn wirklich so wenig Spuren?
    Verhoeven rieb sich die Augen und dachte wieder an die Bilanz, die sein Vorgesetzter gestern mit so leichter Hand gezogen hatte. Die Bilanz und die Frage, die er sich stellte, seit er Grovius’ Schreibtisch ausgeräumt hatte. Was war schiefgelaufen in diesem Leben? Wo lag der Fehler? Oder gab es keinen Fehler? War das, was er hier sah, die Regel? Ging es am Ende gar allen so? Er starrte zur Decke und sah das Gesicht von Gernot Leistner vor sich. Die rot geweinten Augen mit der erschreckenden Leere darin. Grovius hatte gearbeitet. Er hatte Geld nach Hause gebracht, versucht, seiner Frau und seinem Sohn alles das zu geben, was sie sich wünschten. Tennisstunden. Den eleganten Mantel aus dieser sündhaft teuren Boutique in Lugano. Dazu jeden Sommer drei Wochen Urlaub am Meer. Und trotzdem waren sie eines Tages auf und davon gewesen. Genau wie Ulla. Grovius hatte keinen Rettungswagen gerufen, als er sie mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne gefunden hatte. Er hatte seine Karriere riskiert, um ihr eine Unterbringung in der Psychiatrie zu ersparen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er sie beinahe jeden Abend aus ihrer Stammkneipe abholen musste. Trotzdem hatte er sich nie beklagt. Dass sie sich schließlich und endlich hatten scheiden lassen, war Ullas Idee gewesen.
    Verhoevens Augen wanderten wieder zum Tisch, zum Pappkarton, und er überlegte, was er sagen sollte, wenn Ulla ihm vorschlug, etwas davon für sich zu behalten. Als

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