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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Ausländer, machen würde, wenn er von meiner Freundschaft zu Zubieta erfahren würde.
    Alles an dieser Situation ist absurd: die Freundlichkeit Salvatores, der mich behandelt, als sei ich ein langjähriger Mitarbeiter von ihm, die Anwesenheit der Geheimpolizisten, die ich, obwohl sonst vorsichtig mit solchen Zuschreibungen, uneingeschränkt als Feinde bezeichnen würde, meine Angst, die nicht nur damit zu tun hat, dass ich als Unterstützer der Bande verhaftet werden könnte, sondern auch damit, dass auch die Begleiter Salvatores, ebenso wie natürlich der Professor selbst, jederzeit damit rechnen müssen, Opfer eines Anschlags zu werden – sogar jetzt, da Zubietas Organisation seit drei Jahren niemand mehr getötet hat. In Momenten der Stagnation hat die Organisation immer wieder unerwartet zugeschlagen: Ihre Rechtfertigung lautet, dass nur so der nötige Druck aufgebaut wird, um festgefahrene Verhältnisse in Bewegung zu setzen. Gerade jene Attentate, sagen sie, die in der Öffentlichkeit die schärfsten Reaktionen hervorrufen, hätten immer wieder Verhandlungen den Weg geebnet. Ich stelle es mir vor: Man sitzt im Restaurant bei Tisch, zwei Unbekannte, Männer, nähern sich schnell, schalten die Leibwächter mit Schüssen aus Handfeuerwaffen aus und strecken dann ihr eigentliches Opfer vor den Augen der anderen Gäste mit einem Genickschuss nieder. Es wäre eine Geschichte wie aus der absurdesten Tradition des Existenzialismus: Eine Person, mit dem Chef einer Partisanen-Organisation befreundet, also in gewisser Weise ein Sympathisant, ein Unterstützer mit Zweifeln, sitzt mit einem anderen Mann, einem erklärten Feind der Partisanenorganisation, zu Tisch und wird, sozusagen auf Anordnung des Freundes, des Partisanenkommandanten, erschossen. Das Kommando schießt auf die Leibwächter, entdeckt eine weitere Person am Tisch, hält auch diese für einen Feind, streckt den Unbekannten mit einem Schuss in die Lunge nieder und ermordet dann den Mann, der als Feind, Quisling, Kollaborateur der Macht, ausgemacht worden ist. Am Ende: vier Tote und die Frage wozu?
    »Belastet Sie das nicht?«, frage ich den Professor.
    »Hör endlich auf, mich zu siezen.« Salvatore lacht auf. »In Spanien siezt man niemanden – vom König und ein paar Rentnern mal abgesehen …« Der Professor tunkt sein Weißbrot in die Reste der Knoblauchsoße. »Was soll mich belasten?«
    »Das Gefühl, immer mit einem Anschlag rechnen zu müssen.«
    »Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken. Dem Faschismus muss man sich widersetzen. Wer der Gewalt weicht, hat schon verloren.«
    Dem Faschismus, sagt er. Ich lege den Löffel zur Seite und kann es kaum glauben: Zubieta, ein Faschist. Mir gehen unzählige Argumente durch den Kopf, doch weil ich nicht gleich am ersten Tag meine Anstellung aufs Spiel setzen will, sage ich nur schüchtern:
    »Aber … die Gegenseite sagt das gleiche über die spanischen Rechte. Dass das alles Leute sind, die aus dem Franquismus kommen und die demokratischen Rechte der Bevölkerung mit Füßen treten.«
    »Billiger«, Salvatore schmatzt, »kann Propaganda wohl kaum ausfallen.«
    »Sicher«, behaupte ich. »Aber es gibt doch ein reales Problem …«
    Salvatore schaut mich überrascht an. »Welches?«
    »Dass es hier eine Kontinuität der Diktatur gegeben hat – so wie in Deutschland nach 1945, als viele Nazis in ihren Positionen geblieben sind. Und bei uns haben wenigstens die Alliierten ein paar Jahre Druck gemacht.«
    Der Professor runzelt die Stirn. »Man kann sich manchmal nicht aussuchen, wie eine Demokratisierung verläuft. Wenn es hier zu einem Bruch gekommen wäre, hätten wir Bürgerkrieg gehabt. Außerdem ist das dreißig Jahre her.«
    »Ich will mit Sicherheit nicht den Terrorismus rechtfertigen«, sage ich. Diese Sätze muss man sagen, wenn man gehört werden will. Erst sie stellen Diskursfähigkeit her. »Aber es gab doch seit 1976 eine Reihe von Dingen, die nicht akzeptabel waren: Die Morde der Todesschwadronen, die Folterungen in den Polizeiwachen, die Verbote von Zeitungen …«
    »Hör mal, Junge«, Salvatores entspannter Plauderton hat sich endgültig verflüchtigt. Der Professor richtet seinen Zeigefinger streng auf mich. »Ich habe diese Robin-Hood-Geschichten auch immer gemocht. Man kann nachvollziehen, wenn Menschen in der Dritten Welt zu Waffen greifen. Die Zapatisten in Mexiko, so was versteht man. Wo die Leute im Elend leben. Aber schau dich mal hier um. Das ist einer der fortschrittlichsten

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