Der bewaffnete Freund
ausschlaggebend.
»Notfalls ziehe ich das Kind allein groß.«.
Ich habe geantwortet, dass ich zwar nicht begeistert sei, aber meiner Verantwortung nachkommen würde. Und bis einige Monate nach der Geburt verstanden wir uns auch überraschend gut – bis mir irgendwann alles, was Katharina machte, auf die Nerven ging. Ich zog mich zurück und versuchte, mich um Hanna zu kümmern, ohne zu Katharina Nähe entstehen zu lassen. Am Ende reduzierte sich unser Familienglück darauf, dass ich Hanna den Sonntag über hatte und zweimal die Woche aus dem Kinderladen abholte. Ich glaube nicht, dass Katharina jemals in mich verliebt war, aber trotzdem schien sie mir mein Verhalten nicht nur übel zu nehmen, was verständlich gewesen wäre, sondern auch persönlich gekränkt zu sein.
Katharina erklärt, dass sie sich am nächsten Tag das Guggenheim-Museum anschauen wolle.
»Gute Idee«, antworte ich. »Währenddessen könnte ich mit Hanna an den Strand fahren. Dann hast du mal ein bisschen Zeit für dich.«
»Zeit für mich«, wiederholt Katharina ironisch. »Ich kenne hier doch überhaupt niemanden. Wozu brauche ich hier Zeit für mich?«
»Dann kommst du halt nach dem Museumsbesuch an den Strand«, sage ich beschwichtigend, während ich im Stillen nachrechne, wie viele Stunden es noch bis Katharinas Abflug sind. Es war keine gute Idee, sie hierher einzuladen. Es war klar, dass wir uns gegenseitig auf die Nerven gehen würden.
»Willst du einen Espresso?«, frage ich.
Dabei habe ich aufrichtiges Mitleid mit Katharina. Mit Hanna Auto zu fahren, ist eine Tortur. Und ich weiß auch, dass Katharina Recht hat, wenn sie erwähnt, meine Hilfsbereitschaft in Berlin nötiger zu haben als hier. Wahrscheinlich ist genau das unser Problem: Dass Katharina in der Sache fast immer Recht hat.
»Eigentlich würde ich lieber schlafen gehen«, antwortet sie.
»Ich kann dir auch einen Schluck Pacharan anbieten. Schlehen-Likör … macht träge.«
Katharina antwortet nicht.
»Oder beides«, schlage ich vor. »Kaffee und Alkohol. Trinkt man hier gern zusammen.«
»Dass du mir die Adresse nicht gemailt hast«, sagt Katharina, »war echt eine Sauerei.«
Ich stehe auf, um den Espresso aufzusetzen. Den Espresso, den sie gar nicht trinken will »Tut mir leid …«
»Armin hat deine Unterschrift gefälscht.«
»Ist doch super«, rufe ich aus der Küche herüber.
»Ich soll dich von ihm grüßen. Ich glaube, du hast einen Stein bei ihm im Brett … ich weiß zwar nicht warum, aber er kann dich wirklich gut leiden.«
Aus Gewohnheit stelle ich das Radio an. Beim Abspülen oder Kaffeemachen höre ich fast immer Radio.
»Und von Rabbee hat er geschwärmt …«, ruft Katharina mir zu. »Wie bist du eigentlich an so einen gut aussehenden Typen gekommen?«
Ich habe wie immer den Nachrichtensender eingestellt, Hintergrundgedudel ertrage ich nicht. Der Sprecher berichtet von den Hausdurchsuchungen der letzten Tage.
»Bin ich so hässlich?«, erwidere ich.
Katharina reagiert nicht.
Ich löffle Espressopulver in die Kaffeekanne.
In einer Wohnung, verkündet der Polizeisprecher, seien Dokumente gefunden worden.
Ein Teil des Kaffeepulvers fällt mir neben die Kanne.
Gefälschte Papiere und Unterlagen, die zur Zeit ausgewertet würden.
Ich schraube die Espressokanne zu.
Mit Hilfe dieser Papiere hoffe man, die verbliebenen Netzwerke der Organisation weiter schwächen zu können.
Auf welche Namen werden sie stoßen, frage ich mich.
Der Polizeisprecher wird ausgeblendet, und der Radiosprecher wirft die Frage auf, was das für den möglichen Friedensprozess bedeute, über den überall spekuliert wird.
»Man wird abwarten müssen«, sagt er, »ob die Organisation neue Attentate vorbereitet oder die Bewegungen ihrer Anführer in Verbindung mit möglichen Verhandlungen stehen.«
Ich setze mich auf den Küchenhocker und verstehe nicht, was mir Katharina aus dem Nebenzimmer zuruft.
X
Sprechverbot I:
Zubietas Organisation wird in den spanischen Medien ausschließlich als banda armada oder banda terrorista, als bewaffnete oder terroristische Bande bezeichnet. Im Regionalradio, das von der christdemokratischen Autonomieregierung verwaltet wird, ist häufig der Begriff bewaffnete Organisation, zu hören. Die Selbstbeschreibung von Zubietas Leuten lautet: sozialistisch-revolutionäre Organisation zur nationalen Befreiung. In der Tageszeitung schließlich, die der verbotenen Partei nahe steht, ist von den jungen Kämpfern die Rede.
Auf diese Weise ist
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