Der bewaffnete Freund
Regionen Europas. Der Terrorismus hier hat mit Robin Hood nichts zu tun, überhaupt nichts. Das ist Mafia. Da geht es um Geld und ethnischen Fanatismus.« Salvatore schnauft und scheint sich erst jetzt wieder ein wenig zu beruhigen. »Und außerdem: Erstens wird in Spanien nicht gefoltert, zweitens haben sich die Verbote der letzten Jahre ausschließlich gegen legale Strukturen des Terrorismus gerichtet, und drittens die Attentate der GAL, zugegeben, das war nicht schön, das waren Verbrechen, aber sie haben immerhin dafür gesorgt, dass die Terroristen heute in Frankreich keinen Unterschlupf mehr finden …« Salvatore schüttelt den Kopf. »Achthundert Menschen haben diese Dreckskerle seit 1976 umgebracht. Seit es Demokratie und die weitreichendste Autonomie in Europa gibt.«
Ich möchte antworten, dass er einfach nicht Recht hat, dass es am systematischen Einsatz der Folter nicht den geringsten Zweifel gibt, alle Arten von Organisationen, sogar linksliberale Zeitungen, verboten worden sind und der Region bis heute ein wirklich demokratisches Referendum verweigert wird. Madrid hat sogar ein neues Gesetz erlassen, um die Durchführung von Volksabstimmungen unter Strafe zu stellen.
Doch wenn ich das sagen würde, wäre mein Projekt beendet, bevor ich es begonnen hätte. Also antworte ich bloß: »Natürlich, Robin Hood ist das nicht. Das sehe ich genau wie Sie.«
Salvatore schenkt sich Weißwein nach und lacht gelöst. »Jetzt fängst du schon wieder an mich zu siezen.«
Am Freitag kommen Katharina und Hanna in X an. Damit sie die Adresse nicht lange suchen müssen, warte ich an einer U-Bahnhaltestelle auf sie. Die beiden wirken aufgekratzt.
Katharina fragt nach einem Parkplatz in der Nähe der Wohnung. Ich zucke mit den Achseln, sie stellt fest, dass es einfacher gewesen wäre, von Murcia aus zurückzufliegen.
Als ich ihr vor zwei Monaten vorschlug, mit dem Auto nach X zu kommen und ein paar Tage mit Hanna und mir in der Stadt zu verbringen, fand sie die Idee gar nicht schlecht.
Ich setze mich zu Hanna auf die Rückbank. Wir fahren ein paar Minuten durch die anliegenden Straßen. Man merkt, dass das Stadtfest angefangen hat. Es gibt kaum freie Parkplätze, nicht einmal in den Außenbezirken.
»Hinter Madrid ging gar nichts mehr. Wir standen fast vier Stunden im Stau«, sagt Katharina.
»Mir ist schlecht«, jammert Hanna.
»Wir machen dir gleich was«, sage ich und wende mich wieder Katharina zu. »In der Sierra de Guadarama habe die Madrider ihre Wochenendhäuschen. Am Freitag fahren alle aus der Stadt raus. Da ist auf der N-1 immer die Hölle los.«
Wir können nicht rechts abbiegen und entfernen uns immer weiter von der Wohnung.
»Eigentlich hättest du uns auch schon aussteigen lassen und alleine einen Parkplatz suchen können«, sagt Katharina.
»Können wir immer noch«, antworte ich. »Da, auf der Parallelstraße, können wir zum Haus zurück.«
»Verdammt!« Katharina haut auf das Lenkrad. »Rechtsabbiegen ist schon wieder verboten.«
Hanna quengelt. »Ich habe Hunger.«
»Jetzt warte mal kurz«, sage ich gereizt.
Katharina fährt an einer Bushaltestelle rechts ran, um direkt zu wenden. Der Verkehr ist sehr dicht.
Ich sage: »Ich glaube, das ist keine gute Idee. Das ist ein durchgezogener Mittelstreifen.«
»Hast du ein bessere?«, fährt mich Katharina an.
»Die nächste kannst du bestimmt rechts abbiegen.«
»Wenn du alles besser weißt, warum fährst du dann eigentlich nicht selbst?«
Als wir endlich in Montserrats Wohnung unter dem Dach sitzen und Hanna erschöpft eingeschlafen ist, legt sich die Gereiztheit zwischen Katharina und mir ein wenig. Dass wir entspannt wären, kann man aber auch nicht gerade behaupten.
Katharina und ich sind nie richtig zusammen gewesen. Wir haben uns kennen gelernt, weil wir beide Lehraufträge hatten – unbezahlte. Wir hofften, darüber eines Tages an eine Stelle zu kommen oder zumindest etwas für unseren akademischen Lebenslauf zu tun. Die gemeinsame Erfahrung als universitäre Billiglohnarbeiter hat uns verbunden. Fast zwei Jahre unternahmen wir regelmäßig etwas zu sammen. Ich weiß nicht, als was Katharina diese Verbindung bezeichnen würde: als Beziehung, Affäre oder lockere Freundschaft mit gelegentlichem Sex. Als sie schwanger wurde, kündigte sie zu meiner Überraschung an, das Kind bekommen zu wollen.
»Ich bin 35. Entweder jetzt oder gar nicht.«
Ob ich als Vater zur Verfügung stünde, sei für sie nicht
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