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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Organisation ein Baby war – und zwar zu so einem frühen Zeitpunkt wie dem 28. Juni 1960.«
    Die Organisation hat ihre Motive für das Attentat auf Lluch nie erläutert. Es heißt, dass der Politiker erschossen wurde, weil er sich für Verhandlungen mit den gemäßigten Regionalisten ausgesprochen hatte. Die Organisation wollte verhindern, in die Isolation zu geraten, und tötete einen ihrer wenigen Gegner, die den baskischen Konflikt als politischen verstanden.
     
    Wir nehmen die Abfahrt hinter dem ersten hohen Pass. Es geht eine Weile durch den Wald, einen der letzten Mischwälder der Region. Auf einer neuerlichen Anhöhe öffnet sich das Tal eines Gebirgsflusses, vor uns liegen weitläufige Serpentinen. Die Straße zwängt sich zwischen Bergketten hindurch, vor einer 1500 Meter hohen Felswand liegt ein Dorf: G.
    Ich war vor zwanzig Jahren zum ersten Mal in der aus zehn Bauernhäusern, ein paar Dutzend Scheunen und einer klotzigen Kirche bestehenden Ortschaft. Montserrat wollte mir ihre Familie vorstellen, und ich half einige Tage auf dem Hof. Das Gras wurde damals noch mit der Sense geschnitten, und es gab immer viel zu tun. Im darauf folgenden Sommer kam ich wieder. Die Heuernte gefiel mir. Man arbeitete sich in der Gruppe die Hänge hinunter, redete mal mit dem Onkel auf der einen Seite, mal mit einem von Montserrats sechs Geschwistern auf der anderen, und wenn man müde war, setzte man sich in den Schatten und betrachtete die Berge der Umgebung. Ich weiß, wie idiotisch es ist, wenn zentralheizungsverwöhnte Städter vom bäuerlichen Leben schwärmen, aber die körperliche Arbeit in den Ferien machte mir Spaß. Wir ackerten bis zur Erschöpfung und schlugen uns zu den Mahlzeiten den Bauch voll – zu zehnt am Tisch.
    In einer Hinsicht hatte Zubieta Recht: Die alten Bauern in der Region um X erinnern wirklich manchmal an Ureinwohner. Sie beherrschen das Spanische, obwohl man es ihnen in der Schule einzuprügeln versucht hat, nur radebrechend und richten ihr Leben an der Natur aus. Mondphasen, Regenzeiten, die Blüte der Kastanienhaine – das waren die Gesprächsthemen der Alten. Doch obwohl manche von ihnen das Tal in ihrem Leben kaum verlassen hatten, fand ich die Stimmung in G. nie provinziell. Sicher gab es wie in allen Bergdörfern der Welt auch hier kommunikationsgestörte Siebzigjährige, die seit ihrer Geburt mit einem ihrer Geschwister zusammenwohnten und Besuchern die immer gleichen Fragen nach dem Verlauf der Reise stellten; oder einen intriganten Bürgermeister, der seine Familie knechtete, um die Stellung als wohlhabendster Bauer zu verteidigen. Aber in vielerlei Hinsicht war es im Tal eben auch ganz anders, als ich es von zu Hause aus Deutschland kannte. Die Plakate in den Dorfkneipen riefen zur Totalverweigerung des Militärdienstes auf, in einer Scheune am Fluss hatte ein Maler eine der bekanntesten Galerien der Region eingerichtet, im Sommer wurde auf dem Dorfplatz einmal wöchentlich Independent-Kino gezeigt, und im Gemeinderat hatte die damals noch nicht verbotene Partei gerade die Mehrheit der Stimmen gewonnen. Fast fünfzehn Jahre lang, bis zu ihrem Verbot 2002, gewann sie die Wahlen im Tal. Seitdem gibt die Mehrheit der Bewohner selbstgedruckte Stimmzettel mit dem Namen der illegalen Partei ab, die von der Wahlleitung als ungültige Stimmen gezählt werden.
    Für mich waren es glückliche Sommer. Ich fühlte mich als weiteres Mitglied von Montserrats vielköpfiger Familie, und mit der Zeit verband mich mit den Geschwistern mehr als mit der Freundin selbst. Ich fuhr immer häufiger nicht mehr zu ihr, sondern direkt auf den Hof, um dort meine Semesterferien zu verbringen – von Juli bis September.
    In gewisser Weise ersetzte mir diese Familie meine eigene. Der Kontakt zu meinen Eltern, die getrennt leben, beschränkt sich auf alljährliche Weihnachtsbesuche. Ich hatte ein Zuhause, mit dem entscheidenden Vorteil, dass mir hier niemand einen Vorwurf machte, wenn ich am Ende des Sommers verschwand und mich ein Jahr lang nicht meldete. Ich kam und ging wie die Figur Corto Maltés – ohne Ankündigung, ohne langen Abschied.
    Mit Beziehungen ohne Verpflichtungen habe ich mich immer am leichtesten getan.
     
    »Ist schön hier«, bemerkt Katharina.
    Ich bin erleichtert, dass es ihr gefällt.
    »Wir hätten mehr als nur vier Tage einplanen sollen«, fügt sie hinzu, als hätte sie unsere ständigen Streitereien vergessen. »Für Hanna ist das doch super hier. Oder, Hanna? …« Katharina dreht

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