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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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zusammenpresst, dass er das Gewicht eines Menschen zu tragen vermag.
     
    Das Kraftwerk ist Teil von Zubietas Geschichte. Als Jugendlicher war er in einer Umweltgruppe aktiv – so harmlos, wie es sich anhört. Die Bewegung organisierte über Jahre Aktionen, es kam zu den größten Demonstrationen in der Geschichte von X, Gemeinderäte untersagten die Durchfahrt von Atomtransporten. Doch obwohl die Leute in der Region fast geschlossen gegen das Projekt waren, geschah nichts. Nichts Einschneidendes zumindest. Die Regierung in Madrid verbot ein geplantes Referendum über den Kraftwerksbau, die Armee wurde zum Schutz von Energieversorgungsunternehmen eingesetzt, Demonstranten und Bauarbeiter kamen ums Leben. Bis Zubietas Organisation schließlich mit Gewalt eine Entscheidung erzwang – mit fürchterlicher Gewalt: 1981 entführte und tötete sie den Chefingenieur des Baus, einige Zeit später den Projektleiter. Schließlich wurde das Bauvorhaben gestoppt. Damals, so Zubieta, habe er begriffen, dass Macht immer auf Gewalt beruht, Recht nichts anderes ist als erfolgreich gesetzte Gewalt.
    Erst viele Jahre, nachdem er mir das in emphatischem Tonfall mitgeteilt hatte, begriff ich, dass er damit fast wörtlich sowohl Walter Benjamin als auch Carl Schmitt zitiert hatte: Dass Recht immer einer gewalttätigen Setzung entspringt; Recht, Unrecht und Gewalt fast untrennbar miteinander verkettet sind.
    Ich blicke auf das Wasser und muss an einen Absatz aus Sarrionandias Roman denken: »In der großen, Richtung Meer liegenden Lagune glaube ich die Rückenflosse eines Hais zu erkennen, der das Wasser zerschneidet. Nach einem kurzen Augenblick verschwindet er, Luftblasen auf der Oberfläche zurücklassend, in der Tiefe, und ich denke, dass auch diese Blasen sich bald auf jenem flüssigen Spiegel aufgelöst haben werden, der zum Mond gehört.«
    Das Meer, von dem Sarrionandia in seinem Roman spricht, denke ich, verharrt in Regungslosigkeit, es erstarrt. Hier, ganz in der Nähe von Sarrionandias Herkunftsort, gibt es hingegen keinen einzigen Moment Stille. Man kann sich kaum vorstellen, dass es sich um das gleiche Meer, den gleichen Atlantik handelt.
    In diesem Moment höre ich von hinten eine schneidende Stimme.
    »Was machst du da?«
    Ich drehe mich um, es sind Guardias Civiles. Sie tragen keine tricornios mehr, jene steifen, schwarzen Kopfbedeckungen, die so charakteristisch für den Schrecken der Diktatur und die Jahre der Normalisierung waren. Und doch habe ich sofort Angst. Die Guardia Civil ist in der Region X ausschließlich für Terrorbekämpfung zuständig. Was wollen sie von mir?
    »Deine Dokumente!«
    »Einen Moment, bitte«, sage ich unterwürfig und beginne nach meinem Pass zu suchen, »ich bin nicht von hier … ich bin aus Deutschland …«
    Wortlos mustert mich der Polizist, und ich merke, dass ich nicht einfach Angst habe, sondern von Panik erfasst werde. Als könnte der Uniformierte mir ansehen, mit wem ich befreundet bin.
    »Ich arbeite an der Universität. Bei Professor Salvatore … Sie kennen ihn sicher. Er ist Sprecher der Bewegung Libertad.«
    Der Polizist verzieht keine Miene.
    Man kann verstehen, dass sie misstrauisch sind. Sie stehen unter Dauerstress. Mehr als zweihundert Polizisten, heißt es, sind seit 1976 getötet worden.
    Andererseits: Sie sind die Folterer. Nicht wirklich eine Besatzungstruppe. Doch auch nichts grundsätzlich anderes. Leute, die in der Region um X nicht erwünscht sind beziehungsweise genau die Funktion erfüllen, die Fratze der Gewalt immer wieder in Erinnerung zu rufen.
    »Hier kannst du nicht bleiben«, stellt der Beamte abschließend fest. »Das ist Sperrgebiet.«
    »Entschuldigen Sie«, sage ich. »Das wusste ich nicht … Ich gehe sofort zum Wagen zurück.« Ich zeige Richtung Ortschaft. »Steht dort drüben.«
     
    Und so meine ich nach diesem Ausflug zu wissen, was ich sagen werde, wenn der Fremde nach Ablauf der Wochenfrist erneut auf mich zutritt. Dass ich Zubieta schätze, ihn niemals in den Händen der Polizei sehen möchte, aber andererseits mein Leben nicht einfach aufs Spiel setzen kann, besonders weil es in der Angelegenheit nicht nur um mich, sondern auch um ein Kind geht, um das ich mich sowieso zu wenig kümmere, und mir das Risiko zu groß erscheint und niemandem damit geholfen wäre, wenn ich im Ernstfall vor lauter Panik versagte. Niemandem, Zubieta als allerletztem.
    Aber als ich den Mann mit dem Leguanhals schließlich wieder treffe, es ist ein Freitag, der

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