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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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der Mitte des Raums und raucht. Er sieht aus wie die Komparsenbesetzung eines Deutschen in einem schlechten Hollywoodfilm.
    »Seht ihr?«, stellt er schließlich amüsiert fest. »Es ist genauso gekommen, wie ich gesagt habe. Der Deutsche hat sofort Streit gesucht.«
    » Ihr habt Streit gesucht«, antworte ich.
    »Du hast dich kein bisschen verändert. Die Zeit scheint spurlos an dir vorüber zu ziehen … Sag mal, hast du jetzt endlich Houellebecq gelesen oder nicht?«
     
    Wir setzen uns an den Tisch, Zubieta hat gekocht: Stein pilz-Tortilla. Stolz berichtet er, dass er die Pilze selbst am Morgen im Wald gesammelt hat. Der Mann, den sie Josu nennen, fragt, ob wir nun alle vergiftet würden. Worauf Zubieta erklärt, er sei in seinem Dorf als Pilzsammler berühmt gewesen.
    »Ich habe die besten Stellen gekannt.«
    »Schon«, sagt Josu, »aber das ist zwanzig Jahre her.«
    »Ja, schrecklich.« Zubieta lacht. »Die Zeit rast dahin, was?«
    »Schrecklich«, bestätige ich und bin für einen Augenblick wirklich erschrocken. Es ist 21 Jahre her, dass wir uns das erste Mal begegnet sind.
    Beim Essen versuche ich unauffällig, eines meiner Haare einzusammeln, das auf den Tisch gefallen ist. Wenn das Haus eines Tages entdeckt wird, und irgendwann fliegen alle Verstecke der Organisation auf, reichen diese mikroskopischen Spuren, um alle Besucher mittels DNA-Analyse zweifelsfrei zu identifizieren. Wir leben in einer Zeit, in der die Kontrollphantasien aus George Orwells 1984 nur noch wie harmlose Relikte einer besseren Zeit erscheinen.
    »Bei Haaren und Hautschuppen kann man nicht viel machen«, sagt Zubieta, der mich beobachtet hat, »aber wenn du etwas gegen Fingerabdrücke unternehmen willst, haben wir hier ein Spray. Ich hab mir abgewöhnt, es zu benutzen. Bei mir ist es sowieso egal. Aber für dich würde es sich vielleicht lohnen.«
    Er steht auf, durchquert den Raum und holt ein Spray aus dem Küchenschrank, das die Finger mit einem dünnen unsichtbaren Film überzieht, so dass sie keine Abdrücke auf Gegenständen hinterlassen. Leicht verärgert denke ich, dass er es mir auch gleich bei der Ankunft hätte anbieten können.
    »Aber pass aus, dass du keine Abdrücke auf der Dose hinterlässt«, sagt er und stellt das Spray auf den Tisch. Die anderen beiden stimmen in sein übertriebenes Lachen mit ein.
    Umständlich, mit über die Hand gezogenem Ärmel, besprühe ich die Fingerkuppen der linken Hand. Als ich auf die gleiche Weise mit der rechten anfangen will, weist mich der Mann namens Josu darauf hin, dass ich den Ärmel nun nicht mehr brauchte.
    »Mit der linken kannst du die Dose ganz normal anfassen.«
    Ich blicke ihn an, ich erwarte ein spöttisches Gesicht. Aber der Mann, den sie Josu nennen, nickt mir nur ernst zu.
    »Warst du noch mal in Brasilien?«, fragt Zubieta, während die winzigen Tropfen aus der Dose schießen und meine Hand benetzen.
    Ich schüttle den Kopf.
    Wir sprechen über Manaus, den Amazonas, den Lärm im Urwald bei Nacht, und ich bin froh, dass wir Erinnerungen austauschen, weil es die Stimmung entspannt und auch die anderen beiden mich anders sehen werden, wenn sie von meiner alten Freundschaft zu Zubieta erfahren. Er erzählt von einer Bootsfahrt, einer dreitägigen Reise von Manaus nach Belém, die wir getrennt gemacht haben, aber an die wir beide ganz ähnliche Erinnerungen hegen. Auf drei Decks lagen die Passagiere in Hängematten, so dicht gedrängt, dass man versetzt schlafen musste, Kopfende an Fußende und umgekehrt, ganze Familien in zwei, drei Hängematten zusammen, Haustiere, Möbelstücke, Reisetaschen, und die ganze Zeit, 72 Stunden flussabwärts, doppelt so lange den Fluss gegen die Strömung hinauf, das Brummen des Schiffsmotors, das Schwingen der Hängematten, der Geruch von Maschinenöl, die laue, warme Brise, die über die Haut strich. Oben auf dem vierten Deck, hinter dem Steuerraum des Kapitäns, wohnten die Ausländer und Besserverdienenden in Kabinen.
    »Ich wäre gern dort geblieben«, sagt Zubieta. »Das waren gute Leute, diese Besetzer in Brasilien. Richtige Kämpfer.«
    »Kein Volk«, sage ich.
    »Schon auch ein Volk«, behauptet er.
    Wir diskutieren nicht weiter darüber. Zubieta ist mild gestimmt vom Pilze suchen im Wald, ich bin erschöpft von der Autofahrt.
    »Warum bist du eigentlich nicht dort geblieben?«, frage ich schließlich.
     
    Wir trinken selbstgemachten Schlehenlikör, den sich die Frau – auch sie ist seit fünfzehn Jahren nicht zu Hause gewesen –

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