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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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regelmäßig von ihrer Familie schicken lässt. Klebriges Zeug.
    »Wie geht’s Montse?«, fragt Zubieta nach einer Weile.
    »Ich habe ein paar Tage in ihrer Wohnung verbracht«, antworte ich. »Aber es ist nicht mehr wie früher.«
    »Sei froh. Stell dir vor, es wäre alles wie früher: Alle sind um sie rumscharwenzelt, aber keiner hat mir ihr gevögelt. Das war vielleicht eine Scheißzeit.«
    »Ja«, sage ich etwas irritiert, weil ich nicht weiß, ob Zubietas Bemerkung eine Anspielung sein soll, und wiederhole dann die Frage, die er zuvor nicht beantwortet hat: »Warum bist du nicht in Brasilien geblieben?«
    »Ich hatte hier was zu tun.«
    »Drüben hattest du auch was zu tun.«
    »Aber das hier ist nützlicher.«
    »Nützlicher?« Ich blicke ihn entgeistert an.
    »Wo ist es einfacher zu kämpfen? In Lateinamerika oder hier?«
    »Kommt darauf an«, sage ich.
    »Nein. In Lateinamerika ist es einfacher. Viel einfacher. Hier muss man sich etwas einfallen lassen, wenn man die Welt verändern will.«
    Ich schlafe in dem Schlafsack, den ich mitgebracht habe – eine weitere Vorsichtsmaßnahme, um die Verbreitung identifizierbarer Haut- und Haarpartikel einzuschränken, und verbringe, obwohl ich getrunken habe, eine fast schlaflose Nacht. Beim geringsten Geräusch schrecke ich auf, weil ich glaube, dass sich jemand dem Haus nähern, ein Fahrzeug den Kiesweg herunterkommen, eine Spezialeinheit vom Dach abseilen und unerwartet durchs Fenster stoßen könnte. Ich habe zwar keine Ahnung, wie Verstecke der Bande in Frankreich gestürmt werden, aber ich habe etwas Vergleichbares einmal in Deutschland erlebt, das ist viele Jahre her. Eines Morgens hingen maskierte Beamte vor den Fenstern. Sie waren über die Dächer gekommen, um von oben und unten gleichzeitig ins Haus eindringen zu können. Der Grund der Durchsuchung entpuppte sich später als Lappalie, es ging um die Besetzung eines Arbeitsamts, kein einziges Verfahren wurde eröffnet, aber die Bilder haben sich mir doch ins Gedächtnis gebrannt, sie gehören sozusagen zum Repertoire der Angst, auf das der Körper unter Stress zurückgreift. Der Ausnahmezustand ist der Kern der Ordnung, behauptet Carl Schmitt. In diesem Augenblick spüre ich, was das bedeutet: dass die Ordnung einer regelmäßigen Zelebrierung von Ausnahmezuständen bedarf, der Statuierung von Macht und Gewalt, der periodischen Einschreibung von Angst in die Körper.
    Und auf diese Weise sehe ich die längst vergessen geglaubten Polizisten in dieser Nacht immer wieder vor dem Fenster des französischen Ferienhauses hängen.
    Als ich Zubieta am Morgen frage, wo es hingeht, gibt er mir keine eindeutige Antwort.
    »Nimmst du eine Waffe mit?«
    Er schaut mich kaum an. »Ja.«
    »Warum?«
    Keine Antwort.
    Der Wald vor dem Fenster glänzt in der Sonne. Die Luft ist frisch, aber nicht kalt. Ich stelle mir vor, hinauszugehen und den Bergkamm entlang zu wandern, der sich nördlich von hier erstreckt und schon zum Massif Central gehören muss.
    »Du benützt mich«, sage ich.
    »Haben sie dir das nicht gesagt?«
    »Doch«, gebe ich zu.
    »Du musst mich nicht fahren. Wir kriegen das auch anders hin.«
    Diesmal bin ich es, der schweigt.
    Ich habe mich danach gesehnt, Zubieta wiederzusehen, mit ihm über Brasilien zu sprechen, über sein Leben seit unserem letzten Zusammentreffen, über das letzte Buch Sarrionandias. Noch gestern habe ich mich auf ihn gefreut. Aber jetzt, da wir uns gegenüberstehen, will ich nur noch so schnell wie möglich verschwinden. Seine Nähe belastet, sie ist ein unkalkulierbares Risiko, mit etwas Pech bringt sie einen geradewegs ins Gefängnis.
    »Es ist niemandem geholfen, wenn du etwas machst, das du später bereust.«
    »Sicher«, sage ich unentschlossen.
    »Als ich gehört habe, dass du hier bist, dachte ich, dass wir uns mal wieder sehen sollten. Ich habe dich vermisst.«
    »Erotisch?«, frage ich ironisch.
    »Freundschaftlich«, antwortet Zubieta.
    Mein Blick schweift durchs Zimmer. Im Bücherregal stehen neben ein paar literarischen Titeln in der marginalen Sprache, die Zubieta gehören müssen, ausschließlich Fantasy-Romane und die berüchtigt einfältigen Polittitel von Autoren wie Noam Chomsky und James Petras. Ich frage mich, wie es Zubieta in einer Organisation aushält, in der er der einzige wirklich lesende Mensch zu sein scheint – einmal angenommen, dass Sarrionandia längst nicht mehr aktiv ist. Nicht dass Lesen die einzige Möglichkeit wäre, etwas zu begreifen. An der

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