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Der bewaffnete Freund

Der bewaffnete Freund

Titel: Der bewaffnete Freund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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Babyschwimmkurs begann, legte ich großen Wert darauf, meine Tochter, damals gerade sieben Monate alt geworden, zu begleiten. Der Kurs bestand aus acht Kindern mit dazugehörigen Erwachsenen, ich war der einzige Mann. Von der Schwimmlehrerin wurden wir aufgefordert, gemeinsam mit den Kindern auf die Wasseroberfläche zu klatschen, die Babys vorsichtig hin- und herzuschwenken und, wenn die Kleinen Vertrauen geschöpft hatten, mit ihnen zu tauchen. Die Eltern sangen Kinderlieder, machten ihren überforderten Nachwuchs auf die Altersgenossen aufmerksam und jubelten verzückt über jeden Einfall ihres Zöglings. Obwohl ich das Programm der Schwimmstunden und die anderen Eltern unglaublich idiotisch fand, ließ ich keine Sitzung ausfallen; ging selbst erkältet noch mit Hanna zum Kurs. Katharina äußerte daraufhin – halb im Spaß, halb im Ernst –, ich würde mich für die knapp bekleideten Mütter interessieren, die sich nach Abwechslung von ihren eingefahrenen, durch die Elternschaft belasteten Beziehungen sehnten, denn mit niemandem sei ein Seitensprung so leicht zu haben wie mit jungen Müttern, die nur selten weggehen könnten und von Nicht-Eltern grundsätzlich als asexuelle Subjekte wahrgenommen würden. Mütter, so Katharinas These, kämen in den ersten Jahren nach einer Geburt eigentlich nur über Elterngruppen zu Sex.
    Ihre Bemerkung traf die Sache nicht im geringsten. Die Schwimmkursmütter, die, in neuen Bikinis, mit stupidem Gesichtsausdruck und Kinderliedern auf den Lippen, im Warmwasserbecken herumplanschten, waren das Letzte, was mich interessierte. Worum es mir ging, war die Rolle des vorbildlichen Vaters, der sich liebevoll um seine Tochter kümmerte. Sich von der Arbeit frei nahm, um die ersten Schritte der Kleinen zu begleiten, bei den Übungen stets darauf achtete, das Kind nicht zu überfordern und selbst noch in der Umkleidekabine besondere Umsicht an den Tag legte, wenn er es als Vorsichtsmaßnahme gegen Erkrankungen länger als andere Eltern abtrocknete. Die weiblichen Kursteilnehmerinnen schien das zu beeindrucken, und obwohl ich mich überhaupt nicht von ihnen angezogen fühlte, genoss ich ihre Aufmerksamkeit, das Gefühl, bewundert oder zumindest geschätzt zu werden.
    Sollte ich Zubieta das antworten? Dass ich über Hanna deswegen nichts sagen kann, weil es im Grunde immer nur um mich geht?
     
    Nach einer weiteren Stunde erreichen wir die Grenze: eine letzte Mautstation auf französischem Boden beziehungsweise nordkatalanischem , wie Zubieta betont. Perpignan, das er hartnäckig Perpinyan nennt, liegt hinter uns, die Autobahntrasse hat sich von der Küste entfernt und führt zu einem Pyrenäenausläufer hinauf, die Zugstrecke, die zehn Kilometer weiter östlich verläuft, ist nicht mehr zu sehen. Sie durchquert unten am Meer die Hafenstadt Port Bou – jenen Ort, wo der Flüchtling Walter Benjamin am 26. September 1940 Selbstmord beging. Keine zwanzig Monate zuvor waren Hunderttausende auf der Flucht vor dem spanischen Faschismus in umgekehrter Richtung über die Grenze gekommen.
    Immer wieder Fluchtbewegungen, denke ich, immer wieder unüberwindbare Grenzen.
    Nervös schalte ich das Radio ein. Die erste Station, die wir empfangen, sendet von der anderen Seite, auf Katalanisch. Schweiß rinnt mir über den Bauch. Ich spüre, wie sich Tropfen in einer Fettfalte sammeln.
    »Gibt es etwas, worauf ich achten muss?« Meine Stimme klingt heiser, fast brüchig.
    »Worauf achten?«, erwidert Zubieta.
    Ich versuche zu erkennen, wo die Grenze verläuft, und entdecke auf einer Anhöhe, vielleicht vier Kilometer entfernt, die beiden Landesfahnen, Blau-Weiß-Rot und Rot-Gelb, in der Mittagssonne. Nie erschien mir die Trikolore so schön wie in diesem Augenblick; ein Versprechen von Bürgerrechten und Zivilität – was natürlich auch nur ein Selbstbetrug ist.
    »Mach bitte«, sage ich, »nichts Riskantes.«
    »Was Riskantes? Warum sollte ich?«
    Er blickt mich verwundert an, und ich frage mich, ob er meine Nervosität als beunruhigend empfindet, als Unsicherheitsfaktor. Mein Blick wandert seinen Oberkörper hinunter, ich frage mich, wo er wohl die Waffe versteckt hat, die er immer bei sich trägt. In der Reisetasche, im Hosenbund, in dem um die Hüfte geschnürten Geldbeutel?
     
    Der Motor zieht uns zuverlässig die Anhöhe hinauf, man erkennt jetzt die Grenzanlage deutlich: verglaste Kästen, in denen früher Beamten saßen, um Dokumente zu überprüfen, das europäische Zeichen, fünfzehn gelbe

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